Tanz die Miniaturen

■ Die „steptext dance company“serviert Tanz-Appetithäppchen

Sie wohnt in der Peter-Tunner-Straße 25, 8700 Leoben und heißt Frau Blaschke. Doch wer zum Kuckuck ist Frau Blaschke?

Offenbar mag sie Blumen. Offenbar hat sie einen Ehemann, den sie tyrannisiert, der sie tyrannisiert. Der Rest ist Phantasie und vor allem Tanz. „Frau Blaschkes Blumenbe(e)t(t)“, ein Stück für zwei und nur einer von fünf Appetithäppchen, die jetzt unter gleichem Titel in der „input“-Reihe im Concordia zu sehen sind.

Helge Letonja und Ziv Frenkel, ehemalige Kollegen im Tanzensemble von Susanne Linke und Urs Dietrich, haben angerichtet. „Es ist sehr einfach: we want to perform“, heißt es schlicht und „Es war einmal und wird nicht wieder. Spendenkonto: Helge Letonja...“wenig später geheimnisvoll drohend auf dem Programmzettel. Da denkt sich jeder seinen Teil und ist auch schon ungefähr bei dem gelandet, was Letonja und FreundInnen ensemble-namens „steptext dance company“unter Choreographie verstehen: Etwas vieldeutiges, aber nicht grüblerisches; etwas poesiehaftes, angesiedelt irgendwo zwischen Schüttelreimen und Dichtkunst.

Nehmen wir Charlotta Öfverholm, die später als Frau Blaschke wieder auftauchen wird. In ihrem von Seàn Curran choreographierten Solo „Flexibel while frozen“tanzt die maskierte Schwedin erst Ballettschritte und bricht sie dann zu Kraftprotzeleien, Stolpereien und Clownereien. Ganz anrührend diese Ballerina auf Abwegen; das Ganze zwar nicht neu, andersgleich schon mal getanzt, doch was heißt das schon, wenn's anrührend ist.

Ähnlich und dazu noch zum Schmunzeln komisch Günther Grollitsch's „Enachis Io“. Der Mann ist riesengroß, doch auf der Raumbühne des Concordia watschelt er grotesk im Entengang, erobert einen Stuhl, hüllt sich in ein gläsernes Gefieder, flattert insekten-, vogel-, irrwischhaft. Mühsam, ungelungen, wie er sich die Flügel überstreift; bildschön aber, wie er als Bühnenfabelwesen via Tanz das aufrechte Gehen lernt.

Ohnehin sind es die Lernerfolge, Entwicklungsgeschichten, Metamorphosen, die sich als Grundmotiv durch alle fünf Stücke ziehen – ob so angedetscht wie Öfverholms Ballerina oder dem Irrsinn nahe wie Ziv Frenkel in der von ihm und Helge Letonja erarbeiteten Choreographie „Meine Schätze...“Bald einem Verstörten, bald einem Kind ähnlich, bald völlig selbstisch und bald dem Publikum zugewandt, durchmißt er eine Art Schlachtfeld – angedeutet durch Teile einer Ritterrüstung. Daß Frenkel aus Israel kommt, muß nicht erwähnt werden, denn es ist zu sehen: Gewalt ist diffus präsent in seinem Szenario, ist unverstehbar gegenwärtig, zu unverstehbar, um „vernünftig“zu bleiben. Mehrfach und verschieden durchmißt Frenkel den Raum und hält inne zum stummen Schrei. Er findet starke Bilder und bricht sie wieder, scheut aber die radikale Zuspitzung und flieht in die Rolle des Spaßvogel Sancho Pansa.

Aus dem echten Leben kurz vor Schluß Helge Letonjas „Particularly particular“. Ein Dekadandy, schwer gelangweilt und versehen mit viel (echter? gespielter?) Eitelkeit. Letonjas tanzt den modernen Narziß, zitiert Alltagsgesten, erfindet Letonja-Pirouetten und entfaltet Kraft und Wirkung. Allein die Choreographie schreit nach einem Widerpart, nach einem Gegenüber, einem Partner. „Es muß noch einen anderen geben...“unterschreibt Letonja sein Stück, als hätte er genau das zum Ausdruck bringen wollen. Zweifel aber daran.

Endlich ein Paar, endlich Frau Blaschke und ihr Mann (Günther Grollitsch). Sie geben bis zum plötzlichen Schluß Szenen einer Ehe als amüsanten Zweisamkeitsterror und zeigen im Tanz, was Fußballreporter mit kleinen Nicklichkeiten zu bezeichnen pflegen. Minutenkurz wie die anderen vier Choreographien ist auch dieses Stück eine sehenswerte Miniatur. Spenden zumindest in Form von Beifall und Eintrittsgeld sind bei diesem Abend gut angelegt. Christoph Köster

„Frau Blaschkes Blumenbe(e)t(t)“nur noch heute, 18. Oktober, um 20.30 Uhr im Concordia