Mittelweser wird zur Autobahn

■ Ab 2003 sollen 110-Meter-Schiffe den Fluß passieren können / BUND: Für Riesenschiffe beteht gar kein Bedarf

In der Mittelweser soll wieder gebaggert werden, damit größere Schiffe auf dem Fluß fahren können. Gestern unterschrieben Bremen und Bonn ein Abkommen, das einen Teil der Finanzierung regelt. 42 Millionen Mark wollen Bund, Bremen und Niedersachsen in den Ausbau einiger Kurven der Mittelweser stecken. Der Bund übernimmt zwei Drittel der Kosten, Bremen und Niedersachsen den Rest. Ab dem Jahr 2003 sollen 110 Meter lange Großmotorgüterschiffe (GMS) problemlos um alle Kurven der Mittelweser fahren können, bisher geht das nur für 85-Meter-Schiffe. Dafür sei ein Ausbau der Kurven unvermeidlich, glauben die Verkehrsexperten von Bund und Bremen.

Der Staatssekretär aus dem Bundesverkehrsminister, Hans Jochen Henke, gab sich gestern bei Vertragsunterzeichnung optimistisch. Eine ausgebaggerte und an die großen Schiffe angepaßte Mittelweser eröffne „neue Chancen, größere Marktanteile des rasant ansteigenden Transportbedarfs in Europa zu übernehmen.“Vor allem das steigende Transportgüteraufkommen in den Niederlanden ist Henke ein Dorn im Auge: „Wir wollen die derzeitigen Wettbewerbsvorteile entzerren“, sagt Henke.

Ginge es nach Häfensenator Uwe Beckmeyer, so würden in Zukunft auf der Mittelweser nicht nur Massengüter wie Kohle und Kies transportiert, sondern hauptsächlich Container. „Mit dem Ausbau verbessern sich die Standortbedingungen für den Container-Terminal in Bremerhaven“, sagt der Häfensenator.

Der Ausbau der Mittelweser ist Teil des Verkehrskonzeptes für die Binnenschiffahrt, das die Erneuerung der Wasserstraßen zwischen Berlin, Dresden und Bremerhaven vorsieht. Über die Mittelweser können Schiffe derzeit den Mittellandkanal erreichen, der als wichtige Ost-West-Verbindung ebenfalls ausgebaut werden soll.

Umweltschützer und Verkehrsexperten hatten den Ausbau der Wasserstraßen immer wieder heftig kritisiert. Zum einen wurden die optimistischen Verkehrsprognosen der Wasserausbauer in Zweifel gezogen: Zu umständlich und zu langsam sei für viele Transporteure der Wasserweg, ein Umschwenken auf den Schiffstransport daher kaum vorstellbar. Umweltschützer argumentieren, daß die Wasserwege niemals völlig ausgelastet sein würden. Allein die Weser könne die fünffache Menge an Schiffen vertragen, glaubt die Naturschutz-Organisation „BUND“. Außerdem bestünde kein Bedarf für Riesenschiffe: Es sei umweltfreundlicher, zwei kleine Schiffe fahren zu lassen, statt die Flüsse aufwendig für die Riesenkähne auszubauen. Als weitere Alternative konnten sich die Naturschützer Computer-Leitsysteme vorstellen, die eine Schiffskollision in engen Kurven vermeiden sollten.

Auch für Henning Stehli, Abteilungsleiter für Schiffahrt beim Häfensenator, ist die Ökologie beim Ausbau der Weser ein wichtiges Thema. „Die Mittelweser ist an vielen Stellen nur noch ein Kanal“, sagt er. Mit der nun geplanten Anpassung könne tatsächlich auch ökologisch etwas für den bereits kanalisierten Fluß getan werden – zum Beispiel durch Uferabflachung.

Ohne einen weiteren Ausbau allerdings werden auch in Zukunft die Schiffe nicht bis zum Mittellandkanal kommen: zwei Schleusen sind zu kurz. Eine Nachbesserung der zwei Nadelöhre kann jedoch schnell 180 Millionen Mark kosten. Mit dem geplanten Ausbau wäre aber für Abteilungsleiter Stehli „das Ende der Fahnenstange erreicht: Irgendwann kann man einen Fluß nicht weiter vergewaltigen“. Christoph Dowe