Kampf mit dem Auto

Die „Perspektive Auto“: Greenpeace will Serienfahrzeuge optimieren, statt traurige Realitäten zu ignorieren
■ Von Esther Kogelboom

Halskratzen, Augenbrennen – kaum jemand, der im Sommer nicht über die Folgen erhöhter Ozonkonzentration in der Berliner Luft klagt. Berlin ist nicht Mexico-City, aber ein Ausflug in die Randbezirke (und zurück) genügt, um einen Eindruck von der Luftqualität der Stadt zu bekommen. Hat man an der Krummen Lanke das Gefühl, man könne die Luft in Scheiben schneiden und sich damit eine Schrippe herzhaft belegen, meint man an der Warschauer Straße, man atme einen lappigen Hamburger.

Schuld daran ist der Verkehr, sind die zahllosen Autos, die sich tagtäglich ihren Weg durch die Stadt bahnen, um ihre Insassen von A nach B zu bewegen. Aber auch in der Verkehrsforschung bewegt sich etwas. Laut Wissenschaftssenator Peter Radunski verfügen verkehrstechnisch orientierte Forschungseinrichtungen und Unternehmen über geradezu optimale Anwendungsfelder bei der Wiederherstellung und dem Ausbau von Verkehrsverbindungen. So umfasse allein der Berliner Markt für die verkehrstechnische Infrastruktur ein Investitionsvolumen von rund 35 Millionen Mark bis zum Jahr 2004.

Für den Ausbau der Transeuropäischen Netze nach Osten seien im gleichen Zeitraum Investitionen in Höhe von 50 bis 70 Millionen Mark zu erwarten. Außerdem konnte die Berliner Verkehrstechnologie bereits erste Lorbeeren bei einem vom Bundesforschungsministerium ansgeschriebenen Ideenwettbewerb sammeln.

Darüber hinaus wird an der Technischen Universität Berlin (TU) ein Verfahren zur katalytischen Stickoxidreduktion bei Erdgasfahrzeugen (und Blockheizkraftwerken) entwickelt. Fest steht, daß bei der Verbrennung von Erdgas weniger Schadstoffe entstehen als bei der Benzinverbrennung und daß Erdgas umweltfreundlich in Rohrleitungen transportiert werden kann. Im Hinblick auf die Einhaltung von zukünftigen Abgasgrenzwerten wird die Reduktion von Stickoxid erforderlich. Die „normalen“ 3-Wege-Katalysatoren sind aufgrund der unterschiedlichen Abgaszusammensetzungen für erdgasbetriebene Fahrzeuge nur bedingt geeignet.

Nicht zu vergessen die Hybridfahrzeuge (Fahrzeuge mit zwei unterschiedlichen Antriebsarten), die Studierende und Auszubildende der TU konstruiert haben. Vor einigen Wochen wurden im BMW-Pavillion am Ku'damm Exponate zur interdisziplinären Verkehrsforschung ausgestellt. Die Technische Universität präsentierte dort das I-GO, ein Dreirad mit Solar- und Pedalantrieb, das eine Höchstgeschwindigkeit von 50 bis 80 Stundenkilometern erreicht. Es hat eine Reichweite von 30 bis 50 Kilometern und wiegt ohne Fahrer nur 66 Kilogramm, ist also weitaus leichter als der Großteil seiner Fahrer. Das I-GO wird zusätzlich von einem leisen Elektromotor angetrieben, der 1,5 Kilowattstunden pro 100 Kilometer verbraucht. Damit das I-GO bei höheren Geschwindigkeiten nicht aus der Kurve fliegt, verfügt es ähnlich wie das Motorrad über eine passive Kurvensteuerung, die über die beiden Lenkhebel kontrolliert wird.

Das Institut für Straßen- und Schienenverkehr legt zur Zeit eher Schwerpunkte auf die Fahrzeugsicherheit und Abgasmessung, hat aber bereits an einem „interdisziplinären Forschungsverbund Lebensraum Stadt“ mitgewirkt. Thomas Meißner, Lehrbeauftragter am Institut, hält das Swatch-Auto für ausbaufähig. Es wurde bereits in diesem Jahr auf der Internationalen Automobilausstellung vorgestellt und ist besonders klein und leicht, wird aber immer noch von einem konventionellen Benzinmotor angetrieben. Es könne die unterste Stufe einer Entwicklung darstellen, so Meißner. Elektro- und Hybridantrieb seien für das Swatch-Auto in Planung.

Während das Swatch-Auto schon nächstes Jahr käuflich zu erwerben ist, bleibt das 3-Liter-Auto von Greenpeace ein Modell, das zeigen soll, „wie Serienfahrzeuge optimiert werden können“, so Günter Hubmann von Greenpeace. In vielen Serienwagen stecke ein Rennmotor, der für normale Ansprüche viel zu groß sei. Im Hinblick auf den sich abzeichnenden Klimawandel gelte es, die „Perspektive Auto“ miteinzubeziehen und auf kurzfristige Lösungen zu setzen. Deswegen arbeite Greenpeace nicht nur gegen das Auto, sondern auch damit. Auch die BVG setzt mit Unterstützung der Europäischen Union Busse mit Erdgasantrieb ein, die keine Rußpartikel freigeben.

Bleibt die Frage, ob Verkehrs- und damit auch Emissionsverminderung nicht letztlich doch vielmehr ein psychologisches Problem als ein rein technisches ist. Und ob die in den Souvenirshops erhältlichen Dosen mit Original Berliner Luft jemals geöffnet werden (und von wem).