Neue Konzepte für gescheiterten Jugendclub

■ Projektträger debattieren über die zukünftige Nutzung des Jugendclubs Q-free in Kreuzberg: Kommerzielles Kino oder offenes Nachbarschaftshaus. Kiezversammlung Mitte November

Vom Totalabriß und Neubau mit Kino bis zum Nachbarschaftszentrum und einer interkulturellen Begegnungsstätte reichen die Vorschläge, die drei Projektträger für die zukünfige Nutzung des Jugendclubs Q-free im Kreuzberger Wrangelkiez vorgelegt haben. Sicher scheint, daß es in dem plattenbauartigen Neubau in der Cuvrystraße zukünftig gar keinen reinen Jugendclub mehr geben wird. „Mit dem damaligen Konzept von offener Jugendarbeit kommen wir nicht weiter“, sagt die Kreuzberger Jugendstadträtin Hannelore May (Bündnis 90/Grüne). Der Club war im September bereits zum zweiten Mal vom Bezirksamt geschlossen worden, nachdem das Inventar von Jugendlichen zertrümmert und ein Praktikant krankenhausreif geschlagen worden war.

Der radikalste Entwurf stammt von Stefan Greh, Mitarbeiter des Jugendzentrums Alte Feuerwache in Kreuzberg. Er würde das Gelände einem privaten Investor übertragen, der das Haus dann komplett abreißen läßt. Anschließend sollen nach Vorstellung von Greh ein kommerzielles interkulturelles Kino mit drei Sälen erichtet werden, ein Café und Büros, die bezirklichen Kinder- und Jugendprojekten teilweise mietfrei zur Verfügung stehen sollen. Auch soll es Wohngemeinschaften für Jugendliche geben, Musikübungsräume und Sportangebote. Die erwirtschafteten Gewinne sollen teilweise in die Jugendarbeit fließen, der Investor bekäme dafür das Bauland kostenfrei überlassen.

Für Greh ist sein kommerzielles Konzept ein notwendiger neuer Ansatz von Jugendarbeit. Er ist der Meinung, daß in SO 36 – trotz der zahlreichen Konflikte zwischen Kids und SozialarbeiterInnen – nicht die Sozial- und Jugendarbeit an sich versagt habe. Vielmehr sei nicht genügend Geld für vernünftige Arbeit vorhanden. So sind für den Haushalt 1998 in Kreuzberg 2,9 Millionen Mark für Kinder- und Jugendarbeit bewilligt worden, 4,3 Millionen wurden von den Trägern aber beantragt. Greh hofft, daß durch eine kommerzielle Nutzung des Geländes in der Cuvrystraße Lücken in der Jugendarbeit geschlossen werden könnten. Die Familienberatungstelle Wohnen und Leben e.V. und der Mieterverein SO 36 hingegen wollen das Gebäude gemeinsam mit verschiedenen Projekten und Gruppen als Nachbarschaftshaus nutzen und bewirtschaften. Jugendliche sollen dabei aber nicht speziell angesprochen werden. Viele Projekte, argumentiert Ekrem Özer von Wohnen und Leben, seien aufgrund der knappen Mittel bereit, ihre Räume zu verkleinern. Außerdem sei es nötig, möglichst niedrigschwellige Angebote zu schaffen. So sollen neben festen Nutzern auch freie Gruppen angesprochen werden, die Räume nutzen können. Doch eines ist klar: Disko-Veranstaltungen oder ein Café wird es nicht geben: „Damit es nicht schon wieder Konflikte gibt“, sagt Özer.

Der Al-Huli-Verein, der dem Jugendamt ebenfalls ein Konzept vorgelegt hat, möchte dagegen gezielt Jugendliche ansprechen. Der Verein, der momentan noch in Neukölln sein Domizil hat, bietet Hilfe bei Behördengängen, Computerkurse und Weiterbildungsseminare vorwiegend für Familien aus dem arabischen Raum an. „Wir wollen in Kreuzberg weiter Integrationsarbeit leisten“, sagt Nader Kahil von Al-Huli. Seiner Meinung nach habe die Jugendarbeit in Kreuzberg versagt, weil den Kids nicht genügend Autorität von den Sozialarbeitern gezeigt wurde. Der Verein will für deutsche und nichtdeutsche Jugendliche, aber auch für Familien ein breites Angebot wie Mädchen-, Sport und Computerkurse schaffen.

Welches der Konzepte realisiert wird, ist noch unklar. Stadträtin May favorisiert zwar momentan das Konzept des Nachbarschaftshauses, weil dann mehrere Träger und Gruppen eine neue Chance bekämen. Durch eine Kiezversammlung Mitte November erhofft sie sich jedoch weitere Impulse: „Dann werden wir ja sehen, welches Konzept am meisten Zuspruch findet.“ Julia Naumann