Pole, Positionen etc.
: Museale Referenzen

■ Der Streit um das Jüdische Museum ist eine Altlast West-Berlins

In der Politik ist der Ton manchmal rauh. Doch was sich die Kontrahenten im Streit um das Berliner Jüdische Museum nachrufen, spottet mittlerweile jeder Beschreibung. Man fragt sich, was ärger ist: Da konstatiert der eine, der scheidende Direktor Amnon Barzel, in einem Interview mit der Stadtzeitung zitty pauschal „einen tiefen Haß auf jüdische Geschichte in Berlin“. Worauf der andere, Reiner Güntzer, Chef der Stiftung Stadtmuseum und damit Barzels direkter Vorgesetzter, wegen vermeintlicher Beschädigung des Ansehens des Landes Berlin der fristgerechten die fristlose Kündigung folgen läßt. Und die Berliner Senatskulturverwaltung tritt dem Geschaßten mit derartiger Häme hinterher, daß der Verdacht aufkommt, Barzel könne am Ende mit seinen abstrusen Behauptungen vielleicht doch recht haben.

Es hat schon eine ganze Reihe von Versuchen gegeben, den Dauerstreit um das Jüdische Museum zu erklären. Für den Senat ist eindeutig Barzel selbst schuld an dem Desaster, das er in den letzten zwei Jahren in Berlin erleben mußte. Von unüberbrückbaren persönlichen Animositäten zwischen ihm und Generaldirektor Güntzer war die Rede, vorgehalten wurde Barzel zudem, er stelle unmögliche Forderungen, verweigere die konstruktive Zusammenarbeit; er kenne weder die hiesigen Verhältnisse, noch habe er ein schlüssiges Konzept für das Jüdische Museum präsentiert.

Abgesehen vom dürftigen Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe zeigt sich darin ein bewährtes Handlungsmuster der Berliner Kulturpolitik: Fehler, die machen immer nur die anderen. Dabei gäbe es allen Grund, sich an die eigene Nase zu fassen. Mag sein, daß die Chemie zwischen Güntzer und Barzel von Anfang an nicht stimmte und letzterer (finanzielle) Wünsche äußerte, die ersterer nicht erfüllen wollte. Der Kern des Problems liegt jedoch woanders.

Jahrzehntelang war Berlin- West nicht irgendeine Stadt, sondern eine Enklave inmitten des repressiven Ostblocks, die sich in fortgesetztem Ausnahmezustand befand. Der Bund ließ sich sein Bollwerk der Freiheit einiges kosten, pumpte jährlich Milliardenbeträge in die Mauerstadt. Mit der üppigen Alimentierung war gut leben: in der Gewißheit, daß da – egal, was passiert – immer eine helfende Hand sei. In Verbindung mit der ortstypischen Mir-kann-keener-Haltung eine fatale Mixtur: Klüngel gibt es in jeder Stadt, doch in Berlin war die Gesellschaft der Mächtigen – der äußeren Lage der Stadt entsprechend – geschlossener als anderswo. Es entstand ein Klima geistiger Trägheit, in dem unterschiedliche Blüten trieben.

Nur so konnte es passieren, daß der 120 Millionen Mark teure Bau von Daniel Libeskind realisiert wurde, ohne zu bedenken, daß für ein solches Haus auch Betriebskosten eingeplant werden müssen. Die nächsten Eigentümlichkeiten traten zutage, als die Stiftung Stadtmuseum eingerichtet wurde. Geistiger Vater dieser Stiftung ist derselbe Mann, der später alle kompetenten Mitbewerber ausstach und ihr jetzt als Generaldirektor vorsteht: Reiner Güntzer arbeitete, bevor er als Generaldirektor inthronisiert wurde, 25 Jahre als Museumsreferent in der Berliner Kulturverwaltung.

So einer weiß, was zu tun ist, um in der Pole Position zu bleiben. Beispiel Stiftungsrat: In diesem Gremium, das eigentlich der Kontrolle dienen soll, sitzen nur zwei Personen, der Kultursenator und der Generaldirektor der Stiftung, der sich damit – für eine öffentliche Institution normalerweise undenkbar – selber kontrolliert. Eine solche Stiftung und das dazugehörige Stiftungsgesetz am grünen Tisch zu entwerfen ist das eine. Das andere ist, und hier zeigt sich der marode Zustand der Berliner Politik in erbarmungswürdiger Deutlichkeit, so ein Gesetz im Abgeordnetenhaus anzunehmen. Das alte West-Berlin gibt es nicht mehr. Das sollten auch die anerkennen, die bislang davon profitierten. Die Stiftung Stadtmuseum bedarf dringend der Revision. Ulrich Clewing