■ Die SPD, das Grundgesetz und der Große Lauschangriff
: Das Trauma vom Vaterlandsverrat

Mein Gott, unsere Sozialdemokraten! Wie haben sie sich ins Zeug gelegt, um in monatelangen Verhandlungen mit den Koalitionsparteien doch noch zu einem Kompromiß zum Großen Lauschangriff zu kommen. Wie stolz waren die Verhandler um Otto Schily am Schluß, wo doch angeblich die wichtigen sozialdemokratischen Forderungen durchgesetzt wurden – wie etwa bei der kriminellen Geldwäsche. Die Schelte politisch nahestehender Anwaltsverbände war bitter – aber doch auszuhalten. Die Parteiführung immerhin stand aufrecht und fest zu dem Verhandlungsergebnis, und die Führung hat ihre Bundestagsfraktion ja doch ganz gut im Griff. Im Bundestag wurde das Gesetz, für das es immerhin eine Grundgesetzänderung nötig hat, in der ersten Lesung ja auch drehbuchgemäß verabschiedet.

Also alles doch ganz gut gelaufen, möchte man meinen. Sozialdemokraten haben sich im Kampf um die Innere Sicherheit wieder einmal hervorragend bewährt. Und nach den vorangegangenen Eiertänzen hätte es schlimmer kommen können. Und in der Tat: Es kam noch schlimmer! Zunächst wurde der grüne Konvertit Otto Schily wegen seines Engagements um den Lauschangriff an der Parteibasis abgestraft und muß erst einmal um einen sicheren Platz bei der kommenden Bundestagswahl bangen. Dumm gelaufen, aber vermutlich zu reparieren. Dann dieser Henning Scherf in Bremen. Hat offenbar auch nichts begriffen und polemisiert jetzt gegen den Lauschangriff. „Ohne Wenn und Aber“ wolle er „persönlich“ beim Nein in Sachen Lauschangriff bleiben. Seine Partei, Orakel, Orakel, müsse sich „davor hüten, daß wir im notwendigen Kampf gegen das organisierte Verbrechen die Verfassung einreißen“.

Damit geriet die notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundesrat ins Wanken, denn auch andere Bundesländer hatten bereits Ablehnung signalisiert. Immerhin, die Bremer Rathausfraktion der Sozialdemokraten hat sich für die Zustimmung ausgesprochen. Hoffnung bleibt. Doch jetzt auch noch Rheinland-Pfalz. Peter Caesar, Justizminister der sozialliberalen Koalition, will nun durchsetzen, „daß Priester, Rechtsanwälte, Ärzte und Journalisten“ nicht abgehört werden dürfen. Nun plötzlich schwankt die Mehrheit doch erheblich.

Die Kerle müssen doch wieder in den Griff zu kriegen sein! Ihr Einsatz, Herr Müntefering, übernehmen Sie! Sonst setzen sich am Ende die „Vaterlandsverräter“ wieder durch und die SPD wird ihr uraltes Trauma nie los. Otto Diedrichs