■ Umweltethik
: Welchen Wert hat ein Vogel?

Konrad Ott ist nicht Deutschlands einziger Umweltethiker, doch er sitzt auf dem ersten Lehrstuhl, der in dieser Disziplin in Deutschland eingerichtet wurde. Bisher ist das Nachdenken über die Wertentscheidungen im Umgang des Menschen mit der Natur eher von anderen Fachdisziplinen mitbehandelt worden. Vom Ökonomen, der den Wert eines Singvogels in Mark und Pfennig zu erfassen suchte und die Natur so in seine Wertewelt integrierte. Vom Physiker, der zum Naturphilosophen mutierte, oder vom Theologen, der metaphysische Antworten für den Umgang mit der Schöpfung im Angebot hat. Wertorientierte Debatten über den Umgang des Menschen mit seiner Umwelt finden in Deutschland heute im wesentlichen in Evangelischen Akademien und katholischen Bildungshäusern statt.

Insofern ist die Berufung Konrad Otts auf Deutschlands ersten Lehrstuhl für Umweltethik eine Zäsur. Sie war aber auch überfällig. Zum einen wurde die Umweltethik in den vergangenen dreißig Jahren zu einer Disziplin, die sich vor allem im angelsächsischen Raum schon längst auch universitärer Wertschätzung erfreut. Zum anderen mußte der Umgang des Menschen mit der Natur auch deshalb zum ethischen Thema werden, weil die Natur eben nicht mehr die Naturgewalt ist, der der Mensch hilflos gegenübersteht, sondern die mehr und mehr Opfer des Menschen wird. Für den Umgang mit der Natur muß der Mensch deswegen Kategorien für eine Güterabwägung entwickeln. Ist die Ortsumgehung, mit der die Lkws schneller von A nach B kommen, tatsächlich wichtiger als der Lebensraum der Biberfamilie, den ich damit durchschneide?

Der Lehrstuhlinhaber Konrad Ott ist Schüler von Jürgen Habermas, er würde die Kategorien für diese Güterabwägung im herrschaftfreien Diskurs klären wollen. Ott hat aber in seiner Ausbildung auch genug mit Theologen zusammengearbeitet, die metaphysische Setzungen über den Wert der Schöpfung vornehmen können.

Und schließlich ist die Zeit für die Umweltethik auch gesellschaftlich reif. Manager verlangen seit Jahren nach handhabbaren Entscheidungsmustern, mit denen sie klären können, welches wirtschaftliche Projekt umweltethisch noch vertretbar ist. Der Stifter des Lehrstuhls, Michael Otto vom Otto-Versand, finanziert mit der Greifswalder Professur für Umweltethik jetzt einen ethischen Pfadfinder.