Die Farben von Krankheit und Tod

■ Barbara Wilson liest aus ihrem neuen Roman „Träum ich von Familie“

Ein goldgelber Aprikosenbaum, ein kornblumenblauer Himmel, geliebte Farben einer Kindheit im Sonnenstaat Kalifornien. „Cory machte Bilder von allem. Es war so notwendig wie atmen“, heißt es am Anfang des Romans Träum ich von Familie, dem jüngsten Werk der amerikanischen Autorin Barbara Wilson. Der Roman wurde mit dem Lambda Literaturpreis ausgezeichnet, der größten lesbisch-schwulen Literaturauszeichnung Amerikas.

Die Erzählung ist stark autobiographisch geprägt. So mußte auch Wilson miterleben, wie ihre Mutter qualvoll an Krebs starb.

Der Roman behandelt gefühlvoll die Problematik, als Kind mit Krankheit und Tod umzugehen. Vom Onkel mißbraucht, fühlt sie sich mit ihren erlittenen Demütigungen von der Mutter im Stich gelassen. Ihre Welt wird zunehmend rationaler – die Farben verblassen, Gerüche von Krankheit und Tod werden unerträglich.

„Wer sein Herz zu sehr an andere Menschen hängt, muß leiden“, sagt der Vater. Cory übernimmt dies und verneint jede tiefere emotionale Beziehung. Erst im zweiten Teil greift die inzwischen 35jährige wieder zu Pinsel und Farbe. Es scheint, als würde sie in der Zeit zurückschwimmen – Farben und Erinnerungen der Kindheit kehren wieder. Aber mit der Erinnerung tauchen auch Alpträume aus der Vergessenheit auf. Ein Urlaub am See, der Onkel vor ihr im Wasser.

Auch sprachlich spiegelt der Roman die Entwicklung der Handlung wieder. Zunächst bilderreich den Paradiesgarten der Kindheit schildernd, wird der Stil härter und sachlich, nahezu emotionslos. Erst mit Hilfe ihrer Lebensgefährtin Rosemary schafft Cory es schließlich, die Tür zu ihrer Vergangenheit Schritt für Schritt zu bewältigen – und gewinnt die Emotionen der Kindheit zurück.

Maria Brombacher

Lesung: morgen, Zentralbibliothek, Große Bleichen 27

Barbara Wilson: „Träum ich von Familie“, Roman Edition Ariadne, Hamburg 1997, 380 Seiten, 39,80 Mark