Bürger gegen die Reform

■ Bundestag soll im Dezember über die umstrittene Rechtschreibreform entscheiden

Hamburg (AP) – Über die umstrittene Rechtschreibreform wird der Bundestag nach Einschätzung des FDP-Abgeordneten Detlef Kleinert Anfang Dezember endgültig entscheiden. Bis zum Jahresende sei ein im Februar eingebrachter Antrag zum Stopp der Reform in den Ausschüssen beraten; er werde dann dem Plenum vorgelegt, sagte der rechtspolitische Sprecher der Liberalen der Welt am Sonntag“. Er selbst sehe bei den Abgeordneten eine „starke Strömung gegen die Reform“. Anläßlich der Frankfurter Buchmesse forderten Reformgegner in einem gemeinsamen Appell erneut einen Stopp der Neuregelung.

In dem Appell erklärten 26 Bürgerinitiativen, solange die Reform in fast keiner Zeitung, in keinem literarischen Verlag und in keiner Behörde eingeführt worden sei, könnten die verantwortlichen Politiker durch einen Stopp jahrelangen Streit und vor allem Milliardenausgaben vermeiden. Auch für die Schüler sei die Beibehaltung der alten Rechtschreibregeln ein viel geringeres Problem als „das Nebeneinander von mehreren Schreibungen wenigstens bis zum Jahr 2005“.

Am Freitag hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg in zweiter Instanz gegen die Rechtschreibreform entschieden. Der 13. Senat gab einer Mutter recht, die dagegen geklagt hatte, daß ihre Tochter nach den neuen Regeln unterrichtet wurde. Der niedersächsische Kultusminister Rolf Wernstedt kündigte daraufhin einen Erlaß über die weitere Gültigkeit der alten Regeln an, bekräftigte zugleich aber den Willen der Landesregierung, an der Reform festzuhalten.

Der Jenaer Professor Rolf Groeschner, der in Lüneburg die Mutter der Schülerin vertreten hatte, erinnerte an die jüngste Aussage des niedersächsischen Regierungschefs Gerhard Schröder (SPD), nach der die Reform ausgesetzt wird, wenn das OVG sich gegen die Landesregierung entscheide. „Ich bin gespannt, wieviel das öffentliche Wort eines Ministerpräsidenten noch wert ist“, sagte der Jurist.

Die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen bezeichnete es indessen als „grob fahrlässig gegenüber den Interessen der Kinder“, die Rechtschreibreform zu stoppen. Die Schüler hätten im zweiten Jahr, in dem die neuen Regeln praktisch angewendet würden, ein Recht darauf, „nicht zum Spielball der Interessen zu werden“, hieß es in einer Erklärung.