Das Hollerland im Visier der Stadtplaner

■ Baubehörde plant weiter die Schnellstraße quer durch das Naturschutzgebiet nach Lilienthal / Im Hollerland findet sich inzwischen die größte Dichte seltener Pflanzen im ganzen Bremer Raum

„Die aktuelle Diskussion um eine Straßenführung im Bremer Hollerland ist überflüssig“, stellt Andreas Nagler, bei der Umweltbehörde für das Naturschutzgebiet Hollerland zuständig, fest. Schon 1991 wurden in der Naturschutzverordnung für das Hollerland Maßnahmen festgelegt, die sich auf eine Straßenführung direkt hinter Lilienthal zur Borgfelder Heerstraße beziehen. Diese „kleine Lösung“würde das Naturschutzgebiet „Westliches Hollerland“kaum und die Häuser von Anrainern des Borgfelder Deiches überhaupt nicht berühren, meint Nagler. Die vom Bausenator in die Diskussion gebrachte zweite Trasse, sieht den Abriß einiger Häuser am Borgfelder Deich vor (vgl. taz 6.10.97). Naturschützer befürchten, daß Bausenator Bernd Schulte (CDU) mit seinen Plänen mit der Angst der Anwohner am Borgfelder Deich spielt, um die dritte, „große Lösung“der Straßenführung baureif zu diskutieren. „Das wäre der direkte Autobahnanschluß durch das Hollerland, eine mutwillige Zerstörung von jahrelanger Arbeit und Bemühung um die Natur“, meint Andreas Nagler.

Die von der CDU ins Gespräch gebrachte Erweiterung des Technologie Parkes über die Universität hinaus ins Hollerland hinein, sei ebenfalls nicht zwingend, meint ein Sprecher der Umweltbehörde. Danach liegen Gutachten vor, die attraktive, andere Standorte als die im Naturschutzgebiet anbieten. „Wenn das Hollerland angetastet wird., verliert Bremen ein Schaufenster in die eigene Geschichte, ein unwiederbringliches Naturkulturgut und attraktives Naherholungsgebiet“, sagt Andreas Nagler von der Umweltbehörde.

Charakteristisch für das Hollerland ist das über 100 km lange Grabensystem, daß im Mittelalter von holländischen Kolonisatoren angelegt wurde. Seit 1985 (Erweiterung 1991) sind zwei Drittel des Hollerlandes Naturschutzgebiet (ca.300 ha). „Wir haben dieses Grabensystem wiederhergestellt und über Stauwerke und windgetriebene Pumpen die Grünflächen unter Wasser gesetzt“, erklärt Andreas Nagler den landschaftsarchitektonischen Trick, mit dem aus einer mit Rasenschmiele (“Luk“) zugedeckten Fläche im Verlauf der letzten 10 Jahre ein elegantes Feuchtgrüngebiet wurde. „Wir haben hier den für Naturschützer größten ökologischen Glücksfall: Nährstoffarmut und Feuchtigkeit“, freut sich Andreas Nagler. Durch die Anlage von zusätzlichen Poldern und der Aufbereitung von ehemaligen Bombenkratern zu Kleingewässern ist im Hollerland ein Lebensraum mit unterschiedlichen Angeboten entstanden. Über 62 Pflanzen, die im Hollerland nachgewiesen sind, stehen auf der Roten Liste für gefährdete Pflanzen. Dazu gehören auch die seltenen Armleuchteralgen, die ein Qualitätsmerkmal für die Wassergüte sind.

Ins Schwärmen kommen Planzenfreunde, wenn sie auf die wohl größten Krebsscherenvorkommen Norddeutschlands in den hollerländer Gräben hinweisen. „Wir bieten Pflanzen und Tieren Gräben für alle Wachstumsphasen an“, sagt Andreas Nagler. Über 10 Laichkrautarten haben sich in freien, offenen Gräber eingefunden. „Viel mehr gibt es als seltene Arten gar nicht“, meint Naturschützer Nagler. Das Hollerland weist den dichtesten Bestand gefährdeter Pflanzen im ganzen Bremer Umland aus.

Die „Pannlake“in der Nähe der Lilienthaler Heerstraße ist ein Kuriosum. Hier lecken Salzkavernen bis dicht unter die Erdoberfläche. Mit aufschwemmendem Grundwasser bildet sich ein Salzsee, mit einer Flora und Fauna, wie sie sonst nur an der Küste zu finden sind.

„Wir wollen keinen Naturschutz hinter Stacheldraht“, stellt Arno Schoppenhorst, seit über 10 Jahren Gutachter im Hollerland, fest. „Wir wollen den Menschen zeigen, warum das Hollerland schützenswert ist. Es belebt das gesamte Bremer Becken“, meint Schoppenhorst. Viele Brutvogelarten, wie Kiebitz, Uferschnepfe, Kampfläufer, Bekassine und Rotschenkel haben sich im Naturschutzgebiet in ihren Beständen so stabilisiert, daß sie sich im gesamten Bremer Umland niederlassen. Ein Eingriff in das Hollerland, so Schoppenhorst, würde den Zusammenhang und den Austausch zwischen den Bremer Naturschutzgebieten zerstören.

Thomas Schumacher