Kühler Kir Royal in der werdenden Künstlerinnenkolonie

■ Vom Bauernhof zum Frauennetzwerkzentrum – die Höge startet durch und das Kulturministerium gibt sich wohlwollend

„Selig, wer noch kauen und küssen kann.“Mit der Feder Goethes kitzelnd löckte die Hamburger Schriftstellerin und Performerin Ginka Steinwachs am Montag abend die zahlreichen BesucherInnen der Höge durch die teilweise noch unfertigen Gemäuer des Künstlerinnenhofes bei Bassum. Was sie zu sehen bekamen, steigerte sich von Ernüchterung zu höchstem Genuß an diesem „Abend der Wandlungen“. Zu einem solchen hatte die Höge geladen, um mit einem erlesenen Kunstmahl die Grundsteinlegung für den ersten Bauabschnitt zu feiern.

Das Programm startete mit einem eisgekühlten Kir Royal in einem unterkühlten Stallgebäude, dessen Mittelpunkt von einer Mischmaschine markiert wurde. Kaum vorstellbar, daß hier in nur 15 Monaten die ersten vier Künstlerinnenappartements, drei Studios sowie zwei Büroräume entstehen sollen. So planen es Barbara Baum und Barbara Reinhardt, die im April 1996 die Höge gegründet hatten, um ein internationales Zentrum für Künstlerinnen aller Sparten einzurichten.

Eine Vision, die sie bisher äußerst professionell umsetzten. Symposien, Ausstellungen, Fachtagungen und Veranstaltungen haben das einmalige Projekt bundesweit bekannt gemacht. Und so wagt kaum noch jemand an dem Ziel der Initiatorinnen zu zweifeln: Eine Stiftung soll gewährleisten, daß neun Künstlerinnen und eine Wissenschaftlerin während eines neunmonatigen Aufenthaltes auf der Höge ihre Arbeiten weiterentwickeln und der Öffentlichkeit vorstellen können. 1999 werden die ersten vier Stipendiatinnen dort einziehen, wo am Montag den Gästen des Kunstmahles noch die Baupläne erklärt wurden.

Mit „wohlschmeckenden Worten, reich an Kalorien“, verstand es Ginka Steinwachs, diese eher trockene Kost anzureichern, wobei sie von der Tänzerin Brigitte Jagg und der Geigerin Karin Christoph künstlerisch beflügelt wurde. Zwischen Maurerkelle und Panna Cotta an gemischten Beeren lag eine würzige Programmabfolge, die ganz offensichtlich auch dem Geschmack der Abgesandten aus Politik und Wirtschaft entsprach:

Immer wieder werde sie mit Finanzierungsanträgen unterschiedlichster Projekte konfrontiert, meinte Barbara Kissler, Ministerialdirigentin des niedersächsichen Kulturministeriums. Die Höge aber sei etwas besonderes – nämlich ein gelungenes Beispiel für so dringend benötigte Frauennetzwerke. „Wir begleiten das Projekt wohlwollend“.

Auch Alfred Tacke, Staatsekretär im niedersächsischen Wirtschaftsministerium, ermunterte die Anwesenden zur Unterstützung der Höge. Mit Erfolg: Noch am selben Abend wurden die ersten Bausteine einer Mauer, die von der Künstlerin Karin Ohlsen bemalt worden war, käuflich erstanden. Daß damit die für den ersten Bauabschnitt notwendige eine Million Mark nicht abzudecken ist, kann den Mut der Initiatorinnen nicht schmälern. Barbara Reinhardt: „Es war erst der Anfang.“

don

Am 6.11. um 20 Uhr hält die Bremer Kunstwissenschaftlerin Sigrid Schade auf der Höge einen Vortrag über „Die Partizipation von Frauen an der documenta X“.