■ Das Bundeskabinett will eine Immunität für Europol-Beamte
: Konsequenter Schritt in die Grauzone

Bereits im vergangenen Juni sorgte das nun vom Bundeskabinett beschlossene Gesetz zu Europol kurzfristig für Aufregung. Weil den Abgeordneten des Europaausschusses die Zusatzprotokolle zur Europol-Konvention, über die sie abstimmen sollten, gar nicht vorlagen, mußte der Tagesordnungspunkt abgesetzt werden. Als sie 14 Tage später verteilt waren, wurde klar, warum die Abgeordneten lieber blind hätten abstimmen sollen: Im Protokoll über „Vorrechte und Immunitäten für Europol“ war vereinbart, daß Europol-Beamte „von jeglicher Gerichtsbarkeit“ befreit werden, ihre amtlichen Schriftstücke und Materialien „unverletztlich“ sind und das Amt „keinen finanziellen Kontrollen, Regelungen und Notifizierungspflichten hinsichtlich seiner finanziellen Transaktionen“ unterliegen soll.

Neben der Einführug des Euro ist Europol bekanntermaßen eines der Steckenpferde von Bundeskanzler Kohl, der in der Vergangenheit bereits des häufigeren über dessen künftige Rolle als europäisches FBI schwadroniert hat. Daß das Bundeskabinett nun das Gesetz beschlossen hat, das den Europol-Beamten künftig für im Amt begangene Straftaten eine weitgehende Amnestie zusichert, ist da nur konsequent. Ebenso der Umstand, daß es sich dabei über eine vom Rechtsausschuß des Bundestages ordnungsgemäß beantragte vorherige Anhörung hinweggesetzt hat. Solche Themen vertragen keine öffentliche Erörterung, schon gar nicht, wenn selbst politisch Unverdächtige wie Generalbundesanwalt Nehm die Reihen der Kritiker und Gegner verstärken. Ausgenommen von der Immunitätsregelung sind indes Verstöße gegen dienstliche Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten.

Ist dies alles schon heute höchst problematisch, wenn man etwa an den (unter Umständen rechtswidrigen) Umgang mit personenbezogenen Daten denkt, so bekommt alles erst recht seinen Sinn, wenn Europol in Zukunft auch exekutive Befugnisse erhält. Verdeckten Operationen (deren Koordinierung bereits heute eine Spezialität von Europol darstellt) mit all ihren dunklen Verästelungen wird die Tür weit geöffnet. Wer da nicht mitmachen will und deshalb darüber redet, macht sich hingegen strafbar. Einmal mehr zeigt dieser Vorgang, daß von Europol mindestens ebensoviel Gefahr wie Nutzen ausgehen. Für die Bürgerrechte im künftigen Europa vermutlich mehr Gefahren – doch ist im Kampf gegen das sogenannte organisierte Verbrechen nicht alles erlaubt? Otto Diederichs