Der Eiertanz der russischen Kommunisten

■ KP-Chef fordert Partei zu Verzicht auf Mißtrauensvotum auf. Das muß jetzt die Basis schlucken

Moskau (taz) – Die kommunistische Fraktion im russischen Parlament steckt in einem Dilemma. Eigentlich wollte die Mehrheit der Abgeordneten der Regierung Tschernomyrdin das Vertrauen nie so recht verweigern. Die radikaleren Kreise und Grundorganisationen verlangen unterdessen von der Parteielite eine entschiedene Antiregierungshaltung, um dem verwaschenen Parteiimage klare Konturen zu verleihen.

Das erklärt den Eiertanz, den Partei und Fraktionsführung veranstalteten, bevor KP-Chef Gennadi Sjuganow seine Partei dann gestern aufforderte, auf die für heute geplante Mißtrauensabstimmung zu verzichten. Bereits zuvor war der Antrag von der gestrigen Tagesordnung der Duma gestrichen worden. Der Aufruhr, den die Fraktionäre durch die Drohung verursachten, hat trotz einiger Zugeständnisse seitens der Macht die Schwierigkeiten der Opposition nicht gelöst: Die verhaßten beiden Vizepremiers Anatoli Tschubais und Boris Nemzow gehören dem Kabinett weiter an.

Um überhaupt verhandlungsbereit zu sein, hatte KP-Chef Gennadi Sjuganow letzte Woche ihren Rücktritt verlangt. In den Gesprächen mit Jelzin tauchte dieses Anliegen vorgestern nicht mehr auf. Das andere Problem: „Wie sagen wir es unseren unzufriedenen Wählern“, hat nach dem Einlenken an Brisanz zugenommen.

Dennoch gaben sich die Fraktionsführer der KP und ihrer Satelliten nach einem Treffen mit Jelzin zufrieden. In fast allen strittigen Fragen sei der Präsident ihnen entgegengekommen. Welche zusätzlichen Forderungen die Fraktionschefs stellten, behielten sie für sich. Als entscheidendes Zugeständnis wertete die Opposition die Bereitschaft Jelzins, einen Konsultativrat einzurichten, dem die Fraktions- und Parlamentsvorsitzenden angehören. Das Mißtrauen auf beiden Seiten sitzt derweil schon in der Lederhaut. Der KP-Chef verlangte vom Präsidenten eine schriftliche Bestätigung der Verhandlungsergebnisse. Die Regierung piesackte die Opposition, indem sie heute eine Abstimmung wünscht, die den Mißtrauensantrag auf dem gleichen Weg einholt, wie er eingebracht wurde... Die KP ziert sich. Ihr Motto: Nach dem Verzicht ist vor dem Votum. Klaus-Helge Donath