Beispielloser Aufstieg mit Hilfe von Knebelverträgen

■ Im Bereich Internet-Software laufen noch andere Ermittlungen der Kartellbehörden gegen Microsoft. Die Urteile könnten das Unternehmen in seiner Expansion im Netz behindern

Juristen haben in den USA eine Ader für klare, publicityträchtige Zahlen: Genau eine Million Dollar Strafe pro Tag drohte das Justizministerium in Washington den Software-Herrschern von Microsoft am Montag an. Wieder einmal wird dem Konzern vorgeworfen, daß er von seiner Monopolstellung bei der Software „Windows“ Gebrauch macht, um unliebsame Konkurrenten zu ruinieren.

Microsoft wird bewundert und gehaßt. Politiker und Anleger sonnen sich im Ruhm und im Profit des Firmengründers Bill Gates, derzeit der unumschränkte Herrscher über die Firma in Redmond bei Seattle. 22.000 Angestellte kassieren zum Teil großzügige Gehälter, der Staat freut sich über zwei Milliarden Dollar Steuern im letzten Jahr. Und Aktionäre von Microsoft erkennt man häufig am lockeren Gang über die Golfgreens. Wer 1986 für 100 Microsoft-Aktien 2.700 Dollar hingeblättert hat, besitzt heute ein kleines Vermögen von fast 500.000 Dollar.

Bei soviel öffentlichem Wohlwollen fällt es den Konkurrenten schwer, Bill Gates als den Vampir der Branche darzustellen, als gnadenloses Marketinggenie, das einen Software-Bereich nach dem anderen unter seine Fuchtel zwingt. Weil fast alle Personal Computer mit einer der diversen Windows-Varianten als grundlegendem Arbeitsprogramm, dem Betriebssystem, ausgeliefert werden, kaufen die Kunden die Schreib- oder Rechenprogramme der Firma gleich mit. Der Vorwurf der Konkurrenz: Microsoft nimmt die Kundenentscheidung vorweg und knebelt Computerhersteller mit Verträgen wie „Wenn ihr unser beliebtes Betriebssystem haben wollt, dann müßt ihr auch unser Programm XY mit ausliefern“.

Erst bei solchen Verträgen greift das US-Kartellrecht: Wenn eine Firma ein Monopol erreicht, kann die Behörde nicht eingreifen, wohl aber, wenn das Monopol genutzt wird, um weitere Bereiche zu beherrschen. Um kostspielige Prozesse zu vermeiden, schloß Microsoft 1995 ein Anti-Trust-Abkommen mit der Justiz. Darin verpflichtet sich die Firma, ihr Betriebssystem ohne Vertragsparagraphen weiterzugeben, die andere Microsoft-Software betreffen. Genau gegen dieses Abkommen soll der Software-Krösus nun verstoßen haben, meint US-Justizministerin Janet Reno. Die Computerhersteller würden angehalten, die neue – äußerst erfolgreiche – Internet-Erkundungssoftware „Explorer“ gleich mit auszuliefern. Das „Explorer“-Bildchen taucht dann ungefragt auf dem Bildschirm auf, wenn der User seinen neuen Computer einschaltet. Bisher hatte der Konkurrent Netscape mit seinem „Navigator“ etwa 90 Prozent des Marktes gehalten. Seit Microsoft den „Explorer“ vertreibt, stieg der Anteil der Mannen aus Redmond auf über 30 Prozent, Tendenz steigend.

„Unglücklich und fehlgeleitet“ nennt Microsoft die Vorwürfe des Justizministeriums. Für die Konzernjuristen ist der neue Internet- Browser einfach nur eine Erweiterung ihres Betriebssystems Windows 95. Demnach handele es sich also gar nicht um eine eigenständige Software. Nun muß ein Bundesrichter entscheiden, ob Microsoft recht hat oder die Justizbehörde. Für den Softwarekonzern kommt das Verfahren ungelegen. Im Bereich Internet-Software laufen noch andere Ermittlungen der Kartellbehörden, meist angestoßen von Konkurrenten wie Netscape oder Sun. So könnte das Unternehmen, von verschiedenen Urteilen sozusagen eingekreist, in seiner Expansion im Netz behindert werden. Doch wie sagte im letzten Monat der Personalchef von Microsoft, Mike Murray: „Es ist ganz gleich, was Washington macht. Es ist egal, was die Konkurrenz macht. Wir gewinnen.“ Reiner Metzger