Und wieder 540 Arbeitslose

Konkurs für Steilshooper Maschinenbau-Unternehmen Ortmann+Herbst. Investor scheitert an hartem Kurs der Banken  ■ Von Judith Weber

Silberne Torstreben stoppen Ehemänner, Kinder und Frauen. Besorgte Angehörige soll er abwimmeln, erklärt der Mann auf der anderen Seite des Rolltors. Keine Familien, die sich auf dem Firmengelände grämen. Das 100jährige Maschinenbau-Unternehmen Ortmann+Herbst geht würdevoll in die Knie. Heute wird die Firma Konkurs anmelden, vermutet der Betriebsrat. „Ein Vergleich kommt nicht in Frage“.

Die Belegschaft wurde gestern bereits „über die Situation informiert“, endgültig will Geschäftsführer Wolf Cornelius heute entscheiden. Der Grund für das Firmen-Sterben: der italienische Konzern Sasib Beverage will Ortmann+Herbst nicht kaufen; auch nicht dessen Mutterkonzern Kettner. Das hat Sasib nach wochenlangen Verhandlungen beschlossen.

Gescheitert sind die Gespräche offenbar an der „chaotischen Buchführung“des Kettner-Konzerns. Sasib würde rund drei Monate brauchen, um sich durch die Bücher zu ackern; drei Monate, in denen die 2000 Kettner-Angestellten Lohn bekommen müßten und die Firma Geld, um Aufträge zu bearbeiten. Darüber hatte Sasib am Wochenende mit verschiedenen Banken verhandelt. 20 Millionen Mark Kredit hätte die Firma gebraucht – genau die Summe, für die Hamburgs Senat gebürgt hätte. Doch die Banken weigerten sich.

Also 540 Arbeitslose mehr in Hamburg? „Wir werden uns mitbemühen, daß ein vernünftiger Konkursverwalter eingesetzt wird“, sagte gestern Wolfgang Becker, Sprecher der Wirtschaftsbehörde. Ein Verwalter, der die Firma nicht maschinenweise verkauft, sondern einen norddeutschen Investor findet, der Ortmann+Herbst ganz übernimmt.

Am Firmentor taucht Mitarbeiter Gerd Heider in 18 Jahre Berufserinnerung: Als im Frühjahr 65 Menschen entlassen werden sollten, hat die Belegschaft angeboten, auf zehn Prozent ihres Lohns zu verzichten, damit alle bleiben können. Vergeblich. Seit Wochen hinkt die Produktion bei Ortmann+ Herbst, die Zuliefer-Firmen bringen keine Maschinenteile mehr. Viele MitarbeiterInnen bummeln Überstunden ab oder haben Urlaub genommen. Dabei stehen in Hamburg noch Aufträge für rund 100 Millionen Mark aus.

Und nun offenbar der Konkurs. „Wenigstens bekommen wir Geld“, übt sich ein Mitarbeiter in Sarkasmus. Sogenannten Konkursausfall für drei Monate würde das Arbeitsamt auf die meist überzogenen Konten der Angestellten zahlen. Seit sieben Wochen haben sie keinen Lohn bekommen. Die Belegschaft glaubt nicht an die Rettungsvorschläge, die der Rosenheimer Mutterkonzern tröpfchenweise hervorzaubert. „Die Kettner-Gruppe verhandelt mit weiteren Investoren“, verkündete Sprecher Manfred Rückstein gestern. In einer Woche sollen die Verhandlungen zu Ende sein.

Gerd Heider hat den Humor noch nicht verloren: „Vielleicht sollten wir die Weihnachtsfeier vorverlegen. Wer weiß denn, ob wir im Dezember noch hier sind?“