Zum Lunch bei Frankensteins

■ Wieder im Kino: „Andy Warhol's Frankenstein“-Schweinkram

Gegen die Familie Frankenstein aus Paul Morrisseys „Andy Warhol's Frankenstein“sind Gruselsippen wie die Addams-Family regelrecht harmlos. Der Baron lebt mit seiner Schwester wie Mann und Frau. Die Kinder, denen er Vater und Onkel zugleich ist, sezieren und köpfen Puppen, beobachten ihre Mutter beim Beischlaf mit dem Gärtner und stehlen schon mal herumliegende Gliedmaßen aus Papas Horror-Labor. Daß seine Frau ihm untreu ist, stört den Hobbymediziner wenig. Seine sexuellen Gelüste befriedigt er an der freigelegten Gallenblase des weiblichen, komatösen Kunstwesens, das im Labor auf seine Erweckung wartet.

Seine aus Leichenteilen zusammengeflickte Monster-Frau will Frankenstein erst erwecken, wenn er für sie den richtigen Mann gebaut hat. Sein Ziel ist es, die beiden zur Fortpflanzung zu bewegen. Dem männlichen Monster fehlt nur noch ein Kopf. In diesem sollte sich natürlich ein möglichst wollüstiges Gehirn befinden. Frankenstein weiß genau, wo man in Frage kommende Männer finden kann: Im Bordell. Dummerweise erwischen er und sein Gehilfe Otto den Falschen. Der schöne Sascha will Mönch werden und hatte nur seinen weibstollen Kumpel ins Freudenhaus begleitet. Mit dem moralisch gefestigten Kopf auf dem muskulösen Körper wird das Projekt zu einem blutigen Flop ...

„Andy Warhol's Frankenstein“von 1974 ist gezielte, lustvolle Provokation im Dienste des Kommerzes. Man nimmt es Warhol-Schüler Morrissey ab, wenn er behauptet, er habe das Drehbuch während der Dreharbeiten etappenweise auf dem Weg zur Arbeit geschrieben. Dennoch ist alles drin, was sich als skandalös vermarkten läßt; von klassischen Provokationen wie ausgiebiger Nacktheit und exzessiven Splatter-Effekten bis zu heikleren Themen wie Inzest und Nekrophilie. Da konnte spektakulär geworben werden. Für den Kinoaushang gab es gedruckte Entschuldigungen, daß man aufgrund des Jugendschutzes keine aussagekräftigen Fotos zeigen dürfe, und vorm Titelvorspann flimmert die späte Warnung über die Leinwand, der Film sei nichts für herzkranke Zuschauer. Das mag zwar übertrieben sein, aber für Hasenfüße ist dieses Werk tatsächlich nichts. Viel Zeit nimmt sich „Andy Warhol's Frankenstein“für das Öffnen von Operationsnarben in Großaufnahme, das Herumschwenken abgetrennter Köpfe und das Blutsprudeln frischer Wunden. Die frontalen Kameraperspektiven machen Sinn: Ursprünglich lief der Film in 3D bzw. „Spacevision“, wie man damals sagte.

Besser noch als jeder Spezialeffekt ist der junge Udo Kier als Frankenstein. Seinem alles durchdringenden Blick, seinen viel zu weit ausholenden Gesten und seiner morbiden Schönheit ist es zu verdanken, daß dies wohl der einzige Frankenstein-Film ist, in dem der Schöpfer und nicht das Geschöpf der Star ist.

Andreas Neuenkirchen

24. & 25.10. um 22.30 Uhr, 26.10. um 18.30 Uhr im Kino 46