■ Das Porträt
: Der Meister des Dekonstruktivismus

Eine Zeit lang sah es so aus, als gehöre Daniel Libeskind zu denjenigen Architekten, deren Renommee in umgekehrt proportionalem Verhältnis zur Anzahl der von ihnen realisierten Bauten steht. Was nicht weiter verwunderlich war: Die Entwürfe, die den 1946 in Lodz geborenen Libeskind als einen der führenden Protagonisten des sogenannten Dekonstruktivismus international bekannt machten, sind so faszinierend wie unbaubar. Zeichnungen wie jene aus der Serie „Micromegas“ (1979) zeigen Grundrisse, die bis zur Unkenntlichkeit verfremdet wurden. „Die Geometrie“, schrieb einmal der Kunsthistoriker Alois Martin Müller über Libeskinds Arbeiten, „wird so weit getrieben, daß der Raum in atomisierte Partikel zerfällt.“

Damals hielt sich Libeskind vor allem mit Lehraufträgen über Wasser. Nach dem Studium an der Cooper Union School in New York und der Universität Essex in England wird er 1978, 32jährig, Dekan der Architekturfakultät der Cranbrook Academy of Art in Bloomfield Hills, Michigan. 1986 gründete er in Mailand das Architektur-Intermundium, ein privates Non-profit-Institut für Architektur. Zahlreiche Gastprofessuren, unter anderem in Harvard, Los Angeles und Zürich, schlossen sich an.

Ende der achtziger Jahre gewann Libeskind den Wettbewerb um das geplante Jüdische Museum in Berlin. Zwar wurde der preisgekrönte Entwurf im nachhinein mehrfach modifiziert und dabei ästhetisch entschärft, doch das, was inzwischen kurz vor der Fertigstellung steht, ist immer noch eines der aufsehenerregendsten Gebäude der neuen Hauptstadt. Nach seinem Berliner Erfolg bekam Libeskind auch andere prominente Aufträge übertragen. So baut Libeskind, der in jungen Jahren vor einer Karriere als Wunderkind-Pianist stand, derzeit auch die Erweiterung des Victoria and Albert Museums in London. Andererseits: Als er sich mit dem Direktor des Berliner Jüdischen Museums, Amnon Barzel, über die Innenraumgestaltung verständigen sollte, kam es bald zum Zerwürfnis zwischen beiden. Wie die meisten Architekten läßt sich auch Libeskind nicht gerne in seine Planungen reinreden.

Am 30. Oktober wird Libeskind, der seit 1965 amerikanischer Staatsbürger ist, von der Humboldt-Universität mit der Ehrendoktorwürde geehrt. Ulrich Clewing