Kohabitation unter schlechten Vorzeichen

Der polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski muß fortan mit einer rechtsliberalen Regierung klarkommen. Mit der neuen Verfassung, die seit kurzem in Kraft ist, hat er ohnehin weniger Macht als vorher  ■ Aus Warschau Gabriele Lesser

Am politischen Himmel Polens ziehen Sturmwolken auf. Die gerade erst vereidigten Abgeordneten des Parlaments lieferten sich bereits an ihrem ersten Sitzungstag eine Schlacht, die wenig Gutes verheißt. Präsident Kwaśniewski, der bei seiner Wahl 1995 versprach, ein „Präsident aller Polen“ sein zu wollen, wird in der kommenden Legislaturperiode Schwierigkeiten haben, Wort zu halten. Der Ex- vorsitzende der „Sozialdemokratie Polens“ muß nun mit einer sich explizit auf katholisch gebenden Regierungsmehrheit klarkommen.

Zwar verkündete Kwaśniewski bei jeder sich Gelegenheit, daß das Modell der „Kohabitation“ ja auch in anderen Ländern funktioniere, doch bislang haben es beide Seiten an Zeichen des schlechten Willens nicht mangeln lassen. Kwaśniewski hat Anfang Oktober noch elf neue Generäle ernannt, ohne dies mit der künftigen Regierung abzusprechen. Das Recht dazu gab ihm die sogenannte „kleine Verfassung“ von 1992. Vor wenigen Tagen, am 17. Oktober, trat die neue Verfassung in Kraft, nach der Präsident nur noch vier Generäle ernennen darf. Das Militär untersteht der Kontrolle des Verteidigungsministers. Die neue Verfassung, die der Vorsitzende der „Wahlaktion Solidarność“, Marian Krzaklewski, noch Anfang des Jahres verdammt hatte, ist nun Leitlinie für die weitere Gesetzgebung. Noch aber sind einige der katholischen Abgeordneten mit dem Unterschied zwischen den Zehn Geboten und der Verfassung der Republik Polen nicht vertraut.

So hing am Dienstag morgen im Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses (Sejm) plötzlich ein Kreuz über dem Eingang. Gefragt hatte Piotr Krutul, der das religiöse Symbol in der Nacht angebracht hatte, niemanden. „Radio Marjya“, die „katholische Stimme in deinem Haus“, habe in ihrer Nachtsendung die Öffentlichkeit über die Absicht des AWS-Abgeordneten informiert. Das reiche, meinte Krutul. Empört war insbesondere die postkommunistische Opposition. Nachts im Sejm ein Kreuz aufhängen, was seien das für Methoden? Der Sejm hätte über das Kreuz abstimmen müssen.

Wenige Stunden später warf die Opposition den AWS-Abgeordneten einen „Anschlag auf die Demokratie“ vor. Die Machtverteilung in Sejm und Senat muß der neuen Verfassung angepaßt werden. Danach haben die Präsidenten der beiden Kammern mehr Machtbefugnisse als bisher. Geschwächt hingegen wird das jeweilige Präsidium, in dem auch die Stellvertreter aus den Oppositionsparteien vertreten sind. Da die AWS die Präsidenten beider Kammern stellt, kann sie die Tagesordnung festlegen, ohne daß die Opposition die Chance hätte, ein weiteres Thema diskutieren zu lassen.

Auch die zu ernennenden Minister müssen sich nicht mehr von den jeweiligen Sejm-Kommissionen vorstellen. Somit wird es zu keinem Votum der Kommission vor der eigentlichen Vertrauensabstimmung im Sejm kommen. Ziel dieser Regelung sei, so Maciej Plazynski, der neue Präsident des Abgeordnetenhauses, möglichst schnell die neue Regierung zu bestätigen. „Es geht um die Liquidierung der Opposition“, empört sich Jerzy Jaskiernia von der SLD. Präsident Kwaśniewski hat sich bislang zurückgehalten. Seit Inkrafttreten der neuen Verfassung hat er an Macht verloren. Bislang hatte er ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Schlüsselressorts Verteidigung, Inneres und Äußeres. Dies ist jetzt vorbei. In Zukunft muß sich der Präsident bei Einwänden gegen Gesetzesvorhaben zwischen Veto oder dem Gang vor das Verfassungsgericht entscheiden. Wichtig könnte dies bei „katholischen Gesetzen“ werden. Das kürzlich liberalisierte Abtreibungsgesetz wird erneut auf die Tagesordnung kommen. Das Veto des Präsidenten kann nun mit einer Mehrheit von drei Fünfteln der Stimmen im Abgeordnetenhaus abgewiesen werden. Sollte das Verfassungsgericht die Meinung des Präsidenten bestätigen, ist das Urteil endgültig. Der Sejm kann es nicht mehr verwerfen.