Was für ein grüner Sieg: Wachtelkönig ist gerettet!

■ Die Hamburger GAL hat der SPD bisher nur kleine Kompromisse abringen können

Hamburg (taz) – „Wenn Sie fragen, wer heute gewonnen hat, waren es eher die Themen der GAL“, faßte Hamburgs designierter Erster Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) den fünften Tag der rot-grünen Koalitionsgespräche am Dienstag abend zusammen. Der Eifer des Sozialdemokraten, den Grünen zur Halbzeit einen Sieg zuzuschustern, mit dem sie sich vor ihren Mitgliedern blicken lassen können, war unüberhörbar. Das Geschenk heißt Wachtelkönig.

Der kleine bedrohte Vogel, den noch niemand gesehen hat, der aber am Rande des Hamburger Stadtteils Neugraben leben soll, wird nicht einem großen Neubaugebiet zum Opfer fallen. Die geplanten 3.000 Wohnungen „werden in dieser Legislaturperiode nicht gebaut“, verkündete GAL- Verhandlungsführerin Krista Sager erleichtert. Ob die grüne Basis mit diesem Zugeständnis befriedet werden kann, ist fraglich. Die SPD war angesichts leerer Kassen und gesunkenen Bedarfs ohnhin nicht so scharf darauf weiterzubauen.

Schlucken mußte die GAL bereits die umstrittenen Projekte Elbvertiefung, Hafenerweiterung und Flughafenausbau. Von den Grünen in Schlewig-Holstein mußte man sich nun sogar vorwerfen lassen, nicht hart genug zu verhandeln. „Entsetzt“ ist der dortige Vorstandssprecher Peter Swane über das Abnicken ökologisch umstrittener Projekte. Die grünen UnterhändlerInnen sind erheblich zufriedener. Sager schwärmt von der angenehmen Gesprächsatmosphäre, die ganz anders sei als vor vier Jahren mit Voscherau. Es würde ernsthaft verhandelt – mit dem Ziel, wirklich eine Koalition hinzubekommen.

Abringen konnten Sager und ihre Truppe der seit 40 Jahren regierenden SPD allerdings nur Kompromisse, die keinen großen Symbolwert haben: mehr Fahrradwege, weniger Lärm am Flughafen, die Erprobung einer sechsjährigen Grundschule, größere Chancen für eine moderne Stadtbahn, keine Lehrerstellenstreichung. Den großen Wurf erhoffen sich die Grünen zum einen bei den heutigen Verhandlungen über die Energie – die GAL fordert die Abschaltung des Schrott-Atommeilers Brunsbüttel –, zum anderen bei der Erweiterung des Dasa-Werkes. Die GAL will auf keinen Fall noch ein ökologisch wertvolles Gebiet dem Wirtschaftsstandort opfern. Die werdenden Koalitionäre stehen vor ihrer ersten Zerreißprobe. Silke Mertins