Generäle zeigen den „Weg zurück zur Demokratie“

■ Massenhaft Armee und Polizei sollen dafür sorgen, daß der heutige Wahltag ruhig verläuft

Dilem, Karikaturist der Tageszeitung Liberté, hat so seine eigene Auffassung von den Kommunalwahlen, die heute in Algerien stattfinden. „Welche Partei hast du während des Wahlkampfes am meisten wahrgenommen?“ läßt er eine seiner Figuren fragen. „Die Armee“, antwortet der Kollege.

Algeriens Nationale Volksarmee versucht in den letzten Tagen mehr denn je Stärke zu demonstrieren. Überall in den Städten und Dörfern zeigen die bewaffneten Verbände noch mehr Präsenz als ohnehin üblich. 180.000 Soldaten und 60.000 Polizisten sollen dafür sorgen, daß der heutige Urnengang ruhig verläuft. Die 100.000 Mann starken Milizen in den Dörfern befinden sich ebenfalls in höchster Alarmbereitschaft. Weitere 100.000 Mann der Selbstverteidigungskomitees, von der Regierung ausgestattete Bürgerwehren, unterstützen sie. Alle Wochenmärkte sind seit Montag geschlossen, um Anschläge mit Paketbomben zu verhindern. Der Lkw-Verkehr wurde stark eingeschränkt, Tanklaster dürfen überhaupt nicht mehr fahren. Große Sportveranstaltungen wurden bis einschließlich morgen ausgesetzt.

Der heutige Urnengang ist nicht irgendeine Kommunalwahl. Es handelt sich nach den Präsidentschaftswahlen von 1995, dem Referendum über die neue Verfassung von 1996 und den Parlamentswahlen vom Juni diesen Jahres um den letzten Schritt auf dem „Weg zurück zur Demokratie“, den Präsident Liamine Zéroual immer wieder versprochen hat. Algerien soll endgültig den Stallgeruch des Militärregimes verlieren, den es seit 1992 hat, als die Armee nach dem Sieg der Islamischen Heilsfront (FIS) bei den Parlamentswahlen putschte. Die Bürgermeister der religiösen Partei, die seit den ersten freien Kommunalwahlen 1990 55,4 Prozent der Gemeinden regierte, darunter alle großen Städte, wurden eiligst durch kommissarische Gemeindevorsteher ersetzt. Viele FIS-Politiker wurden in die Wüste geschickt, wo große Gefangenenlager errichtet wurden.

Zwar ist die Partei der Wahlsieger von einst noch immer verboten, aber das Volk darf wählen. 15,8 Millionen Bürger sind aufgerufen, unter 83.000 Kandidaten auf 5.741 Listen ihre Vertreter für Gemeinderäte und Provinzverwaltungen auszusuchen. Nur zwei Parteien, die ehemalige Einheitspartei FLN und die erst zur Unterstützung von Präsident Zéroual gegründete National-Demokratische Versammlung (RND), die das Land seit Juni regiert, treten fast überall an. Die RND ist in 1.480 der 1.541 Gemeinden vertreten, die FLN in 1.442 Kommunen. Die gemäßigten Islamisten bringen es auf 698 und Ennahda auf nur 367 Kandidaturen. Die laizistische demokratische Opposition ist noch schwächer. Die Front der Sozialistischen Kräfte (FFS) hat nur in 214 Gemeinden genug Anhänger, um eine Liste vorzulegen, die Versammlung für Kultur und Demokratie (RCD) in 206. Das schwächste Bild gibt die ebenfalls im Parlament vertretene trotzkistische Arbeiterpartei (PT) ab. Sie tritt lediglich in 33 Gemeinden an.

In 41 Prozent der Gemeinden können die Wähler nur zwischen der alten Staatspartei FLN und ihrem neuen Pendant RND wählen. Zéroual kommt das gerade recht, denn das sichert ihm in einem Großteil der 48 Wilayas (Provinzen) von vornherein eine Mehrheit. Die Provinzverwaltungen wiederum beschicken zwei Drittel der Abgeordneten des Nationalrates. Ein weiteres Drittel dieser zweiten Kammer, die ein Veto gegen Parlamentsentscheidungen einlegen kann, beschickt der Präsident. Das Ergebnis: bestens kontrollierter Pluralismus.