Keine Gnade für Alan Bannister

■ Hinrichtung durch Giftinjektion: Gestern morgen wurde der 39jährige in Potosi, Missouri, getötet. Es war die 60. Exekution in diesem Jahr in den USA, 3.200 Verurteilte sitzen noch in amerikanischen Todeszellen

Berlin (taz) – Das Protokoll wurde strikt eingehalten: Eine Minute nach Mitternacht öffnete der Henker die Kanüle und ließ erst ein Sedativum, dann ein Herzlähmungsmittel in den Arm von Alan Bannister fließen. Einige Minuten später war der 39jährige tot. Weder internationale Proteste noch die Appelle mehrerer amerikanischer Künstler konnten den Gouverneur des Bundesstaates Missouri, Mel Carnahan, dazu bewegen, Bannister zu begnadigen oder seine Exekution wenigstens aufzuschieben. Harry Belafonte, Gregory Peck sowie Sean Penn, der in dem Film „Dead Man Walking“ einen Todeskandidaten gespielt hatte, hatten Bannisters Begnadigung gefordert.

Auch aus Deutschland hatten sich zahlreiche Menschen beim Gouverneur für Bannister eingesetzt – mobilisiert durch amnesty international sowie UnterstützerInnen wie die 34jährige Hamburgerin Nina Stahl, die mit dem Todeskandidaten die letzten beiden Jahre korrespondiert hatte (siehe taz vom 21.10. 97). Stahl hatte am Dienstag zum ersten und einzigen Mal mit Bannister telefonieren können. Der hoffte da immer noch auf die Rettung durch den Gouverneur. Als sie Stunden später erneut im Hochsicherheitsgefängnis von Missouri anrief, wurde ihr beschieden: „Den können sie nicht mehr sprechen. Der ist exekutiert.“

In Jefferson, der Hauptstadt Missouris, hatten den ganzen Dienstag über Angehörige, Freunde sowie prominente Gegner der Todesstrafe den Sitz des Gouverneurs belagert. Carnahan weigerte sich, mit einer Delegation – darunter der US-Schauspieler Ed Asner sowie Bannisters Frau Lindsey – persönlich zu sprechen, schickte jedoch seinen Rechtsexperten. „Wir haben wirklich unsere Herzen ausgeschüttet“, sagte Asner, „und ich denke, wir haben unsere Argumente gut dargelegt.“

Am Ende war es nicht gut genug. Zumindest wogen sie nicht schwerer als die Befürchtung des Gouverneurs, der nicht als Hardliner in Sachen Todesstrafe gilt, mit der Umwandlung des Urteils in eine lebenslange Freiheitsstrafe unter innenpolitischen Druck zu geraten. Bannister, der eines Auftragsmords angeklagt und 1983 zum Tode verurteilt worden war, hatte bis zum Schluß beteuert, der tödliche Schuß habe sich versehentlich bei einer Rangelei gelöst. Man hätte ihn höchstens des Totschlags anklagen dürfen, ein Delikt, das in den USA nicht mit dem Tod bestraft werden kann. Mehrere Indizien erhärteten diese Version – darunter ballistische Gutachten sowie die Aussage des Polizisten, der als erster am Tatort eingetroffen war und sich bis zum Schluß für Bannister eingesetzt hatte. Als skandalös werten Menschenrechtsorganisationen die Arbeit seines Pflichtverteidigers, dessen gesamte Verteidigung sich auf vier Fragen an einen einzigen Entlastungszeugen beschränkte. Seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 hat der Bundesstaat Missouri nun 28 Todesurteile vollstreckt. Nur Texas, Virginia und Florida haben bislang mehr Exekutionen durchgeführt. In 38 der 50 US- Bundesstaaten ist die Todesstrafe Bestandteil des Rechtssystems. Inzwischen befinden sich mehr als 3.200 Menschen in amerikanischen Todestrakten. Sowohl die Gerichte wie auch die Clinton-Regierung, der Kongreß und die Einzelstaaten haben in den vergangenen Jahren massiv den Rechtsweg für zum Tode Verurteilte beschnitten sowie öffentliche Gelder für den Rechtsbeistand der meist mittellosen Insassen drastisch gestrichen. Das erklärt nicht zuletzt den rapiden Anstieg der Exekutionen von nur einer im Jahre 1977 auf 45 im Jahr 1996. In diesem Jahr wurden bereits 60 Menschen hingerichtet. Der US- Historiker Watt Espy, der die Geschichte der Todesstrafe in Amerika von der Kolonialzeit bis heute dokumentiert hat, geht davon aus, daß es ab dem Jahr 2000 mindestens 200 Exekutionen pro Jahr geben wird – so viele wie nie zuvor in diesem Jahrhundert in den USA. Grund ist nicht nur die Beschleunigung des Verfahrens, sondern auch die zunehmende Gnadenlosigkeit der Gouverneure. Die machten in den 50er Jahren häufig von ihrem Recht der Begnadigung Gebrauch und bewahrten rund 20 Prozent aller Verurteilten so vor dem Henker. In den vergangenen zehn Jahren gab es in den USA durchschnittlich eine einzige Begnadigung pro Jahr. Zwei davon gehen auf das Konto Carnahans, der auch dieses Jahr bereits einmal, wenn auch eingeschränkt, Gnade hatte walten lassen: Die Exekution eines psychisch kranken Häftlings schob er trotz massiven Drucks vorerst auf. Nicht zuletzt dieser Schritt dürfte das Schicksal von Alan Bannister besiegelt haben. Gouverneur Carnahan hatte sein Gnadenpotential für dieses Jahr bereits ausgeschöpft. Andrea Böhm