McKinsey schlachtet Kultur

■ Gutachter: Kulturausgaben können weiter gekürzt werden / VHS und Stadtbibliothek sollen besonders gebeutelt werden

Im Bremer Theater gibt es „Potentiale in den Bereichen Besucherzahlen und Personalkosten“, die „Organisationsstruktur im Staatsarchiv ist aufgebläht“, „bei der Stadtbibliothek wurden Entlastungspotentiale von 2,1 Millionen Mark identifiziert“: Mit dieser konsequent nüchternen Prosa befassen sich in diesen Tagen Mitglieder des Senats und hohe Verwaltungsbeamte. Sie stammt von der Unternehmensberatung „McKinsey& Company“, die im Senatsauftrag die Landesentwicklung, das Liegenschaftswesen sowie die Kulturförderung untersucht und in Sachen Kultur jetzt weitere Kapitel des Abschlußberichts vorgelegt hat.

Auf rund 140 Seiten breiten die GutachterInnen „vertraulich“und als „Entwurf“aus, was sie unter einer näheren Untersuchung alias einem „Benchmarkvergleich“verstehen: Mit Städtevergleichen, Zahlenkolonnen, Schlagworten und sogenannten Flip-Charts spiegeln sie die Taten und vor allem Kosten des Bremer Theaters, der Volkshochschule und anderer Institutionen wider und kommen bei einigen Objekten der Analyse zu dem Schluß: Die gleiche Leistung ist für die öffentliche Hand auch billiger zu haben.

Ohnehin ist nicht die „Stärkung der Kultur“, wie von Bürgermeister Henning Scherf oder Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (beide SPD) noch im Frühjahr verkündet, das oberste Ziel der ExpertInnen, sondern die Senkung der Zuschüsse. Relativ am meisten ist McKinsey zufolge bei der Musikschule zu holen: Mit zwischen 1,4 und 1,8 Millionen Mark könnte die Gesamtförderung von 2,2 Millionen Mark (1996) auf einen Bruchteil reduziert werden. Die „Hebel“: Gebührenerhöhungen und die Einstellung von Honorarkräften statt hauptamtlicher MitarbeiterInnen. McKinsey läßt unberücksichtigt, daß sich viele Ex-Honorarkräfte vor wenigen Jahren erfolgreich in feste Arbeitsverhältnisse eingeklagt hatten.

Nicht beziffert wird das „Potential“im Bremer Theater. Im Städtevergleich sei der Gesamtzuschuß gering, doch der Zuschuß pro ZuschauerIn hoch, bestätigen die GutachterInnen bekannte Fakten. Die Empfehlung: Das Theater soll die Besucherzahlen steigern und gleichzeitig Personalkosten sparen. Nähere Angaben macht McKinsey jedoch nicht.

Konkreter werden die UnternehmensberaterInnen bei den Institutionen Staatsarchiv, Volkshochschule und Stadtbibliothek. Das „schlecht strukturierte Staatsarchiv“könne mittelfristig Personalkosten sparen und Leistungen wie die Aufnahme nichtamtlichen Schriftguts einschränke. Hauptgrundlage des Städtevergleichs: die Regalmeter. Der Zuschuß an die Volkshochschule (4,9 Millionen Mark) könne durch Gebührenerhöhungen und die Reduzierung von Angeboten – ausgerechnet – im Bereich „Politik und Gesellschaft“um 440.000 Mark vermindert werden.

Bei der Stadtbibliothek machen die GutachterInnen ein Potential von 2,1 Millionen Mark aus – unter der Voraussetzung, daß eine neue Zentralbibliothek geschaffen wird. Auch die Folgen des Einstellungsstopps sind McKinsey nicht verborgen geblieben: Die Personalkosten sind unter anderem deshalb hoch, weil viele ältere und höhergruppierte Angestellte in der Bibliothek arbeiten. Der Altersdurchschnitt liegt inzwischen bei 48,2 Jahren.

Während all diese Einrichtungen über sogenannte Potentiale verfügen, ist der Zuschuß an das Übersee-Museum (3,9 Millionen Mark) nicht kürzbar. Mögliche Ein-sparungen und Einnahmererhöhungen würden durch nötige Investitionen zur Steigerung der Attraktivität des Museums wieder neutralisiert. ck