Äußerst lehrreiche Cartoons

■ Die amerikanische Serie "Die Simpsons" ist manchmal zu hart für ein behütetes deutsches Nachmittagsprogramm. Heute startet eine neue Staffel. (Montag bis Freitag, 17.25 Uhr, Pro7)

Die Familie ist komplett. Vater Homer ist gerade von der Arbeit heimgekommen, Mutter Marge vom Einkaufen, Sohn Bart war bis eben Nachsitzen, während Tochter Lisa noch mit dem Schulorchester geprobt hat. Nun versammeln sich alle samt Baby, Katze und Hund vor dem Fernseher – und auch wir haben es uns dort bequem gemacht. Es kann losgehen.

Seit Anfang der Neunziger laufen „Die Simpsons“ im deutschen Fernsehen, und wenn heute um 17.24 Uhr auf Pro7 eine neue Staffel der Zeichentrickserie anläuft, dann muß man zwar nicht gleich – wie ein jubelnder Fan im Internet – von einem „Nationalfeiertag“ sprechen. Ein Grund, sich zu freuen, ist es jedoch allemal.

Denn „Die Simpsons“ sind nicht nur sehr lustig und hintergründig, manchmal zwingen sie ihren Sender auch, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Hätten Sie zum Beispiel Gewissensbisse, sich auf illegalen Umwegen den Zugang zum Bezahlfernsehen zu verschaffen? Lesen Sie einfach die Broschüre „So you've decided to steal cable“: „Theorie: Es ist nur fair, daß man für Erstaufführungen von Qualitätsfilmen extra zahlt. Tatsache: Die meisten über Kabel gesendeten Filme sind minderer Qualität und werden bis zum Erbrechen wiederholt.“ Und da soll noch jemand sagen, Cartoons seien nicht lehrreich.

Nicht immer hat sich Pro7 mit der in Amerika mehrfach ausgezeichneten Serie leichtgetan. Einige Folgen sind, wohl seit langem fertig synchronisiert in der Schublade liegend, im deutschen Fernsehen nie ausgestrahlt worden, andere nur weit nach Mitternacht. Schuld daran sind zu einem guten Teil „Itchy & Scratchy“, die Helden der Simpson-Kinder Bart und Lisa. Dieser Cartoon im Cartoon beschreibt auf recht eindrückliche Weise das gestörte Verhältnis zwischen einer Katze und einer Maus, angelehnt an die Kinderserie „Tom & Jerry“ – nur wesentlich härter, zu hart jedenfalls für ein behütetes Nachmittagsprogramm. Aber auch mit diesem Problem setzen sich die Simpsons auseinander: Marge, die herzensgute Mutter mit der blauen Turmfrisur, gründet eine Bürgerinitiative gegen Gewalt im Fernsehen – womit den Kritikern in der Realität ihre eigene Argumentation vorweggenommen wird.

Neben dieser ständigen Selbstreflexion des Mediums Fernsehen sind „Die Simpsons“ reinste Comedy – und dabei jedem realen Stück weit überlegen. Welche andere Humorproduktion könnte sich ein Arsenal von über 30 ausdifferenzierten Charakteren halten? In Springfield, dem Ort der Handlung, hat jeder seinen Platz: vom Kernkraftwerkbesitzer Monty Burns über den Alkoholiker Barney Gumble, den korrupten Rechtsanwalt Lionel Hutz bis hin zum allgegenwärtigen Talkshowgast und Schauspieler Troy McLure. Dazu kommen in fast jeder Folge Gaststars, gezeichnete Versionen prominenter Medienfiguren, die sich im amerikanischen Original alle selbst synchronisieren.

Was „Die Simpsons“ aber unverwechselbar macht, ist die Besessenheit ihrer Autoren, in jeder Folge einen Berg von Zitaten unterzubringen. Da findet sich die Eröffnungssequenz aus Beethovens „Pastorale“ neben Szenen von Mark Twain, und wenn Bart Simpson in die Hölle kommt, dann ist diese einer Darstellung von Hieronymus Bosch nachempfunden. Klingt nach einem arte-Themenabend? Sie werden lachen. Stefan Kuzmany