Ständchen für Sterns Stunde

Der Publizist und Romanautor Horst Stern wird heute 75. Er hat die deutsche Ökologiebewegung stark mitgeprägt. Heute lebt er in einem Dorf im Süden Irlands  ■ Aus München Luitgard Koch

In der Geißelung agrochemischer Exzesse läßt sich diese Zeitschrift so leicht von niemanden lumpen. Wir tun das von Beginn an unter Hintanstellung lebenswichtiger wirtschaftlicher Anzeigeninteressen und stehen darum auf dem Index der einschlägigen Industrie.“ Markige Worte, gelassen zu Papier gebracht von Horst Stern, einst Herausgeber und Chefredakteur und seit heute 75 Jahre alt. Der gelernte Bankkaufmann schrieb dies 1982 in natur – „Horst Sterns Umweltmagazin“. Nie wieder danach trug das Blatt diesen Untertitel.

1984 übergab Horst Stern das Magazin nach einem Streit um genau jenes Anzeigengeschäft mit dem Ringier Verlag, wo der Titel erschien, mehr oder weniger freiwillig Manfred Bissinger. Keiner der späteren Chefredakteure wagte es, sich nach ihm auf dem Titelbild zu verewigen. natur war Horst Sterns Kind, auch wenn es sich über all die Jahre immer wieder wie eine Schlange häutete und seinen Standpunkt suchte. Einzig das Anzeigenproblem vererbte sich von Ausgabe zu Ausgabe weiter. Aber auch nach Jahren wurde Horst Sterns Name in den Redaktionsstuben nur äußerst ehrfürchtig ausgesprochen.

Sammeln als Devise für die Leserschaft

Kurzatmiger Häppchenjournalismus ist seine Sache nie gewesen. Das signalisierte schon die Aufmachung der Zeitschrift. „Sammeln“ hieß die Devise für den Leser. Apropos Leser: Die immer wieder beschworene Leser-Blatt-Bindung erreichte auch später noch fast „taz-Werte“ auf der oberen Richtskala. Doch natur ließ niemals auch nur leise anklingen, die Zeitschrift gehöre den Lesern – dazu war man viel zu sehr Bildungsbürger.

Aber nicht nur natur hatte der Meister quasi erfunden. Schon Jahre davor machte er Furore mit seinem Fernsehmagazin „Sterns Stunde“. Seine „Bemerkungen“ zum Tier waren weniger gefällig als die von Fernsehonkel Grzimek und wirkten keineswegs so harmlos belehrend wie „Brehms Tierlieben“. Als Vorreiter prangerte er die industrielle Massentierhaltung an und klagte die Würde des Tieres als Lebewesen ein. Doch auch Tierschützern hielt er entgegen: „Tierliebe ist soziale Sodomie.“

Für Wirbel sorgte Horst Stern, als er einmal kurz vor Weihnachten die Überhegung des Wildes in deutschen Wäldern geißelte. Konsequenterweise forderte er Maßnahmen gegen den dadurch zunehmenden Wildverbiß. Nach dieser Sendung ging ein Aufschrei durch deutsche Wohnzimmer. Schließlich war sich die Fernsehnation einig: „Bambi darf nicht sterben.“

Ob er als Vater der Ökologiebewegung zu gelten hat, läßt sich trotz alledem nicht so einfach beantworten. Fest steht, daß er schon 1972 zusammen mit Konrad Lorenz, Heinz Sielmann, Bernhard Grzimek und anderen die Gruppe „Ökologie“ gründete. Im gleichen Jahr setzte Stern sich im Bundestagsausschuß für einen nachhaltigeren Waldbau ein und arbeitete mit an der Novellierung des Jagdgesetzes sowie der Tierschutzbestimmungen.

Den Grünen traute er damals noch kaum zu, eine ökologische Politik zu bewirken. Und auch bei der Einrichtung der taz-Ökologieseiten kurz nach Gründung der Zeitung stand Stern nicht Pate. Seinen Platz in der Umweltbewegung hat der Publizist jedoch verdienterweise.

Die Romanfigur Klint als Alter ego

Horst Stern arbeitete nicht nur als Journalist, sondern betätigte sich auch als Schriftsteller. Nach seinen Romanen „Der Mann aus Apulien“ oder „Jagdnovelle“ brachte er 1993 „Klint“ auf den Markt. Die Titelfigur ist ein Sonderling, der sich umbringt – verzweifelt über die Menschheit, die seiner Meinung nach der Apokalypse entgegensteuert. Klint fühlt sich als Warner, und er fühlt sich belächelt. Die Romanfigur wirkt wie das Alter ego des Autors Horst Stern. Mit diesem Buch schrieb er sich wohl seine Enttäuschung von der Seele. Und auch jetzt zählt Stern nicht zu den Verfechtern eines „Ökooptimismus“.

Heute, zu seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag, ist Horst Stern zu wünschen, daß er trotz aller Enttäuschung über die Dummheit der Menschheit nicht zum Misanthrop geworden ist. Dazu wäre ein Leben auf der Grünen Insel, wo er in einem winzigen Dorf im Südwesten lebt, auch viel zu schade. Eine Brise irischen Galgenhumors wirkt da bestimmt nachhaltig ... und vielleicht trifft Horst Stern dann ja auch dort noch mal den einen oder anderen Chefredakteur von natur als Nachbar. Was er sich wohl nicht unbedingt wünscht.

Also dann schon lieber ein frisches, schaumgekröntes Guinness im Pub samt Geburtstagsständchen von Eddy Finbar und Fury oder den Dubliners. Und das alles nach dem Motto: „Nütze die Chance, denn du hast keine.“