„Es gibt keinen Königsweg für Kinderinteressen“

■ Rita Grießhaber, Vorsitzende der Kinderkommission, zur Berücksichtigung von Kinderanliegen

taz: Was hält die Kinderkommission des Deutschen Bundestages von der Idee der Berliner Justizsenatorin Peschel-Gutzeit, Eltern künftig stellvertretend für ihre Kinder wählen zu lassen?

Rita Grießhaber (Bündnisgrüne): Wir sind da in der Kommission eher zurückhaltend. Erst letztes Jahr haben wir eine Anhörung zum Thema „Mitwirkungsrechte von Kindern in der Gesellschaft“ durchgeführt. Dort ging es nicht nur um das Wahlrecht, sondern auch um Kinder- und Jugendgemeinderäte, staatliche Kinderbüros und andere Modelle. Wir fanden, daß es keinen Königsweg für die bessere Berücksichtigung von Kinderinteressen gibt.

Wenn es aber um Bonner Sozialpolitik geht, sind doch wohl vor allem die Eltern gefragt.

Es stimmt, daß Kinder und Jugendliche sich für abstrakte Themen nur wenig interessieren. Ob aber ein besonderes Elternwahlrecht hier weiterhilft, bezweifle ich. Die Wahlentscheidung ist doch sehr komplex. Eine Mutter ist eben nicht nur Mutter, sondern auch Arbeitnehmerin, Autofahrerin und so weiter. Die Interessengegensätze gehen oft mitten durch die Person.

Die „Kinderstimme“, wie sie die Sozialdemokratin Peschel- Gutzeit in ihrem Aufsatz in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ vorschlägt, soll die Eltern doch gerade zur Überlegung anhalten, was wohl für ihre Kinder gut wäre.

Läßt sich das so einfach sagen? Schließlich behaupten doch alle Parteien, sie seien kinderfreundlich. Letztlich gibt dann eben doch die ohnehin vorhandene Präferenz den Ausschlag.

Und was ist, wenn es um Jugendhäuser und Spielplätze vor Ort geht?

Dann sind die Betroffenen quasi Experten in eigener Sache, und wir müssen nicht den Umweg über die Eltern gehen. Allerdings sollte man sich vor Feigenblattlösungen hüten, bei denen lediglich Gremien geschaffen werden. Ich finde, daß hier die Schulen viel mehr leisten könnten. Ein Projekt, das sich beispielsweise für sichere Radwege in einer Stadt einsetzt, könnte sowohl konkret auf die Kommunalpolitik Einfluß nehmen und zugleich den Schülern die Komplexität von politischen Entscheidungsabläufen aufzeigen. Interview: Christian Rath