Langer Abschied

Bei sein' Spontan-Rücktritt damals inne Glotze, wie er da mit ernste Miene, hochaufgerichtet, total traurig, aber doch beherrscht in meine Wohnstube guckte, hat Herr Voscherau mir zun ersten Mal de Trän' inne Augen getrieben. Und das will was heißen, denn allein schon vonne Titelseiten vonne Illus her, was ich da tagtäglich aushalten muß an herzergreifende Sachen, und denn noch in diese geballte Form wie damals bei Lady Di: Da kriegt man schon eine gewisse Abhärtung. Aber während das bei Lady Di ziemlich schnell vorbei war und heute schon manche Kunden nicht mehr wissen, wer das überhaupt war und den Nam' für ne Parfümmarke halten, ist das bei unsen Jung-Altbürgermeister anders. Nicht bloß, daß er immer noch in' Hamburger Rathaus auftaucht, nä, nicht als Spuk, sondern in echt, wenn auch man bloß auffe Zuschauertribühne. Na klar, bißchen ruhiger als in unse Westkurve in' Volksparkstadion ist das da schon, aber das Publikum applaudiert doch jedesmal wie wahnsinnig, wenn er aufkreuzt. Und de amtierende Politiker mit ihre säuerliche Mienen müssen sich ja anschließen. Und heute erzählt mir mein Stammkunde, Jungunternehmer Aschler, daß Herr Voscherau auch in sein' Betrieb war. Er hat ja de Agentur „Hoffnungsschimmer“gegründet, wo man Leichenredner für nichtkonfessionelle Begräbnisse anheuern kann. Da ist der Ehemalige, wie gesagt, aufgetaucht, um sich ganz persönlich zu verabschieden und daß er den neuen Unternehmen Glück wünscht, also daß hier hoffentlich der Spruch NOMEN EST OMEN stimmt. Und er hat immer schon ein Herz für mittelständische Unternehmer gehabt. Jedenfalls, wenn das mal wieder was zu beurkunden gibt: Er kennt ein ausgezeichnetes Notariat. Hat er denn Herr Aschler seine Visitenkarte inne Hand gedrückt. In Herr Studienrat Arnold seine Schule war er auch. „Ich wünsche Ihnen“, hat er inne große Pause in' Lehrerzimmer zu den Kohlegium gesagt, „daß unsere Pädagogen und ihre Schutzbefohlenen die LEISTUNG wiederentdecken und daß die dann auch entsprechend HONORIERT wird, was heute leider nicht immer der Fall ist...“Klar, daß er auch bei Revierförster Noske seine Dienststelle erschienen ist, wo se grade ihre Einsätze besprochen habn. Da ist er aber bloß von Polezist zu Polezist gegang' und hat de Beamten stumm auffe Schulter geklopft. Und de meisten habn daraufhin derart nasse Augen gekriegt, als wenn se in ihre eigene CS-Dusche gelaufen wärn. Sogar in' „Reitersruhm“war er, wo sich de jung' Lüriker zusamm'balln, und hat er de Autorn erzählt, daß er sich immer für de Kultur eingesetzt hat. Wie das nach seine Amtszeit wird, muß man erstmal abwarten. Nu hat er sich fast von jeden Hamburger persönlich verabschiedet. Bloß an mein' Kiosk hat er sich noch nicht sehn lassen.