Lauter „Superfrauen“

■ Ein Vortrag aus der Reihe „Frauenforschung“

Ist die „Superfrau“nur ein neues Modewort, nachdem „Cinderella“und „Girlie“sich in den medialen Ruhestand begaben? Oder stehen wirklich viele Frauen vor der Frage, wie einem zunehmenden inneren und äußeren Leistungsdruck zu begegnen sei?

Am Donnerstag versuchte Prof. Ellen Reinke in einem Vortrag, das „Emanzipationsideal Superfrau“kritisch darzustellen. Erstaunlich viele interessierte ZuhörerInnen waren dazu in das Uni-Gästehaus auf dem Teerhof gekommen. Also schien das Thema doch eine gewisse Identifikationskraft zu besitzen.

Von ihrer Sicht als Psychoanalytikerin war der Schwerpunkt Ellen Reinkes geprägt: Nach ihrer Einschätzung entwickelte sich das Phänomen seit den 60er Jahren mit der zweiten Frauenbewegung und deren Schlachtruf „Wir wollen alles!“.

Die Anforderungen der Superfrau an sich selbst sind vielfältig und irrwitzig: Eine „Superfrau“ist schick, erfolgreich, „bodygeshapet“, beherrscht ein komponiertes Auftreten, den Orgasmus in allen Ausführungen sowieso und die hohe Kunst des Marmeladekochens dazu ... Etwaigen Zweifeln an der Vollkommenheit ihrer Leistungen folgt der „Superfrauenkomplex“. Dieser beschreibt die immer weiter getriebene Selbst-Überforderung bis hin zum körperlichen oder seelischen Zusammenbruch. „Die Superfrau wählt unter den gesellschaftlich verfügbaren Krankheiten das Passende aus“– laut Ellen Reinke können das Eßstörungen, Herzkreislauf-Erkrankungen oder ein Burned-Out-Syndrom sein.

Ihre These formulierte sie selbstkritisch: „Wir haben uns als Superfrauen entwickelt, um nun als Superdeppen in einer neuen Form von Sklaverei dazustehen.“

Wer ist schuld? Für Ellen Reinke jedenfalls nicht die Frauen. Die bleiben Opfer, trotz allen wirtschaftlichen und sozialen Erfolges, Opfer der Verhältnisse und damit Super-Thema für den feministischen Diskur. Und, fragten Frauen in der anschließenden Diskussion, wieso beschränkt sich die imaginäre Kollektivbiographie auf intellektueller „Karrierefrauen“um die Fünfzig? Für die galt der therapeutische Tip der Referentin, bewußter wahrzunehmen und sich mehr zu entspannen.

Die junge Mutter in den 90ern ist eher eine, die verzweifelt einen Job sucht – ganz ohne professorale „Superfrau“-Probleme. Helene Hecke