Für eine Minute dünn gemacht

■ Mit geheiligter Aura zurück ins Heimatdorf: „Die Kandidaten – Einmal im Leben bei ,Wetten daß...?‘“ (Sonntag, 22.50 Uhr, ZDF)

„Gottschalks dickstes Ding“. Das war die Schlagzeile der Bild am Sonntag am nächsten Morgen, und diese Schlagzeile ist Josef Kratz' ganzer Stolz. Denn er war „Gottschalks dickstes Ding“. Und 18 Millionen Menschen haben es gesehen. Wahnsinn.

Einmal im Leben Kandidat bei „Wetten daß...?“, da kann man sein kleines Leben für Minuten zu einem richtig großen machen. Heute ein König. Und auch danach geht man noch mit einer von 18 Millionen Blicken geheiligten Aura durch sein Heimatdorf, durch Seelscheid, wie Josef Kratz zum Beispiel, oder durch Traunstein wie Peter Hausner.

Die Regisseurin Susanne Binninger hat für ihren Dokumentarfilm zwei Wettkandidaten mit ihrem Kamerateam während der langen Vorbereitungszeit begleitet, sie war auch hinter den Kulissen dabei, am großen Abend der beiden Kandidaten und danach, bei der Rückkehr in ihr stolzes Heimatdorf.

Stolz ist man vor allem in Seelscheid und etwas ungläubig. Man hat jetzt einen Star in seinen Reihen, und es ist doch nur der Jupp. Der wurde von Phil Collins umarmt, von Gottschalk am Bauch gestreichelt und alles nur, weil er sich für eine Minute ein bißchen dünn gemacht hat. Denn das war Jupps Wette: Mit einem Bauchumfang von 1,41 Metern hat er sich in einer Minute durch ein 30 mal 33 Zentimeter großes Loch gezwängt. Da staunte Phil Collins, und Thomas Gottschalk wunderte sich.

Wettkönig ist er aber doch nicht geworden und auch Peter Hausner nicht, der, mit Inline-Skates über ein Auto springend, in zweieinhalb Minuten zehn Basketbälle in einen Streetballkorb werfen konnte. Die Wette kam so schlecht an, daß sie sogar bei der Wiederholung am nächsten Nachmittag rausgeschnitten wurde. Da saß die Familie Hausner so schön gemütlich zusammen und wollte zusammen mit dem Peter noch mal in Ruhe den Triumph auskosten – da schneiden die das einfach raus. Man ist richtig erschüttert, der dünne Boden des frischen Ruhms beginnt schon zu bröckeln, noch bevor man sich richtig in ihm eingerichtet hatte.

Zum Glück ist ja Susanne Binningers Kamerateam da, dem man sogleich seine Empörung mitteilen kann. Aber Peter Hausner ist geknickt. Er hatte das Größte erwartet von seinem Auftritt, hatte sich in seinem vom ZDF bezahlten noblen Hotelzimmer, wenn die Bildzeitung oder Freunde anriefen, scherzhaft mit Thomas Gottschalk gemeldet und war voller Erwartung auf seinen Starauftritt. Und jetzt steht er im verschneiten Vorgarten seiner enttäuschten Eltern, schlurft Richtung Holzschuppen, um die Schneeschippe zu holen, da öffnet sich das Fenster des Nachbarhauses, man fragt irgendwas, und Peter fragt zurück: „,Wetten daß...?‘ gesehen?“. „Nee“, lautet die Antwort. Da ist von Peters Aura endgültig nichts mehr übrig, und er schippt Schnee. Volker Weidermann