„Die Zeiten von Käpt'n Ahab sind vorbei“

■ Prothesen- und Rollstuhl-Fabrikanten müssen innovativer werden, um zu überleben

Essen (taz) – „Frog legs“ (Froschbeine) heißen die grünen Vorderräder am Rollstuhl von Frank Smetz. „Im Gegensatz zu den bislang starren Rollen wirkt diese Neuigkeit aus den USA so wie ein Stoßdämpfer, was das Fahren erleichtert“, erklärt der Marketingleiter der Delta Reha Systems. Ob allerdings viele Querschnittsgelähmte von dieser Innovation profitieren, hängt von den Krankenkassen ab: „Nur wenn es eine medizinische Indikation gibt, werden auch die zusätzlichen 500 Mark genehmigt.“

Smetz' Skepsis ist unüberhörbar. Denn seitdem die dritte Stufe der Gesundheitsreform Mitte 1996 eingeführt wurde, sparen die Kassen. Das spüren auch die Hersteller von Rollstühlen, Prothesen oder Bandagen. „Die Reform hat zu einem Umsatzeinbruch von 20 Prozent geführt“, beklagt sich Klaus-Dieter Hagen vom Verband der deutschen feinmechanischen und optischen Industrie auf der Fachmesse Reha International in Düsseldorf. Im vergangenen Jahr setzte die Branche noch 7 Milliarden Mark um. Außerdem, sagt Hagen, schreiben die meisten Betriebe, die überwiegend aufwendige Kleinserien produzieren, derzeit Verluste.

Auf die Reha kamen in diesem Jahr mit 832 Ausstellern so viele wie noch nie. Ein Indiz dafür, wie eng umkämpft der Markt ist. Auffällig sind schon die Rollstuhl-Hersteller aus Taiwan und Süd-Korea, die sich auf der weltweit größten Messe für Rehabilitationsmittel präsentieren. Die asiatische Konkurrenz fürchtet Wolfgang Raabe vom Marktführer Meyra jedoch längst nicht mehr: „Bei der Qualität und der Verarbeitung sind wir den ausländischen Anbietern überlegen.“ Außerdem sei der Preisvorsprung der Asiaten geschmolzen, seitdem Meyra seine Stühle in Tschechien fertigen läßt.

Raabe hofft außerdem auf das jüngst beschlossene Medizinprodukt-Haftungsgesetz, das die deutschen Hersteller stärkt. „Da die Fachhändler für die ausgelieferten Stühle verantwortlich sind, werden sie sich überlegen, ob sie wegen ein paar gesparten Mark beim Einkaufspreis asiatische Fabrikate verkaufen.“ Bestehen im Wettbewerb werden die deutschen Hersteller aber nur, wenn sie sich verändern. „Es gibt nur ein Konzept, und das heißt Innovation“, sagt Norbert Aumann vom Prothesen- Hersteller Biedermann. Das Unternehmen hat erstmals ein Stoßdämpfersystem vorgestellt, das nachträglich in Prothesen eingebaut werden kann. Angst, daß die Krankenkassen die Mehrkosten verweigern, hat Aumann nicht: „Die Zeiten von Käpt'n Ahab mit seiner Holzkrücke sollten in unserer Gesellschaft eigentlich tabu sein.“ Ralf Köpke