Zu klarer Sieg Zérouals in Algerien

Opposition protestiert gegen Regierungsbetrug bei den Wahlen  ■ Aus Algier Reiner Wandler

Alles klang so schön: Eine geringfügig höhere Wahlbeteiligung als bei den Parlamentswahlen im Juni (66,2 statt 65,4 Prozent) und ein erheblich besseres Ergebnis für die Regierungspartei National- Demokratische Versammlung (RND).

Doch nur zwei Stunden, nachdem Innenminister Mustafa Benmansour die Ergebnisse der Kommunal- und Provinzwahlen verlesen hatte, vermeldeten ihm seine Polizisten aus dem Zentrum Algiers eine Spontandemonstration. 300 Anhänger der oppositionellen „Bewegung für Kultur und Demokratie“ (RCD) zogen durch die Straßen – zum ersten Mal seit dem Militärputsch. Zwar wurde der Marsch nach wenigen hundert Metern gestoppt, doch der Vorwurf der Anhänger des radikal-laizistischen Demokraten Said Sadi, die Verwaltung habe das Wahlergebnis beeinflußt und die Wahlbeteiligung künstlich hochgetrieben, bleibt.

Als besonders kurioses Beispiel machte die RCD den Fall des Wahllokales bekannt, in dem Präsident Zéroual selbst abstimmte. Dort seien nachträglich 100 Stimmkarten für die regierende RND in die Urnen gelegt worden. Statt der RCD habe damit die RND gewonnen. Bevor das Ergebnis nicht ordnungsgemäß überprüft wird, will die RCD jeden Tag um zwölf Uhr auf die Straßen der Hauptstadt gehen.

Überall im Land waren die Zahlen ein wenig zu perfekt. Sowohl in den Rathäusern als auch in den Provinzen erzielte die RND über die Hälfe aller Sitze. Gaben bei den Parlamentswahlen im Juni nur 33,6 Prozent der Wähler der RND ihre Stimme, so waren es dieses Mal 51,5 Prozent bei den Gemeinderatswahlen und 49,5 für die Provinzen. Insgesamt vereinigen die drei derzeitigen Regierungsparteien mehr als vier Fünftel der insgesamt 13.123 Gemeinderäte und der 1.880 Provinz-Posten auf sich. Die Oppositionsparteien liegen weit hinter dem, was sie bei den Parlamentswahlen erzielen konnten.

Die Proteste der RCD kommen in einem Augenblick, als Präsident Zéroual den erneuten Aufbau von gewählten Institutionen anstelle der nach dem Militärputsch 1992 von oben eingesetzten abgeschlossen wähnte. Das „Baby mit Bart“, wie die erst im März zur Unterstützung von Präsident Zéroual gegründete RND vom Volksmund genannt wird, regiert nach dem gestrigen Ergebnis auf allen Ebenen.