Der Ölsektor ist Nigerias wunder Punkt

■ Die Opposition hält ein Ölembargo für durchsetzbar. Aber auch ohne Sanktionen stockt die Produktion häufig – durch Streiks und Überfälle

Daß Nigeria wegen seines Öls für die Weltwirtschaft Bedeutung hat, ist unbestritten. Das Land ist der zehntgrößte Ölproduzent der Welt und der größte in Schwarzafrika. Zugleich ist aber dieser Status nicht so bedeutend, als daß ein Ausfall Nigerias die Weltwirtschaft erschüttern würde. Schlimmer treffen würden Wirtschaftssanktionen Nigerias herrschende Militärs, denn das Land bezieht fast seine gesamten Exporteinnahmen aus dem Ölgeschäft: zehn Milliarden Dollar im Jahr, von denen nur der geringste Teil der Bevölkerung zugutekommt.

Aus diesem Grund treten nigerianische Oppositionelle seit Jahren für ein umfassendes Ölembargo gegen Nigeria ein, um eine Demokratisierung zu erzwingen. „Daß Nigerias Einnahmen aus dem Ölexport in der Hauptsache der herrschenden Elite dienen, wird kaum bezweifelt“, schreibt der Dachverband der nigerianischen Exilopposition UDFN (Vereinigte Demokratische Front von Nigeria) in seiner Vorlage für den Commonwealth-Gipfel. „Obwohl ein umfassendes Ölembargo einen potentiellen Verlust von mindestens 1,6 Millionen Faß pro Tag darstellen könnte, hätte das vermutlich keine Auswirkung auf den Weltölmarkt... Der Zustand des Weltölmarkts ist so, daß andere Lieferanten, möglicherweise Norwegen, Saudi-Arabien, Kuwait, Irak und Kolumbien jeden Verlust aus Nigeria kompensieren werden.“ Auch die Durchsetzung eines Embargos sei kein Problem, da in Nigeria die für eine Umgehung von Sanktionen nötigen Kapazitäten in Infrastruktur und Verwaltung, anders als einst in Südafrika, nicht vorhanden seien.

Schon die normale Ölförderung im Niger-Flußdelta stößt immer wieder auf Probleme. In Unruhegebieten wie dem Ogoni-Land ist die Förderung seit Jahren eingestellt. Auseinandersetzungen wie die im Ogoni-Delta, die 1993 die Weltöffentlichkeit erregten, sind inzwischen in weiten Teilen des Niger-Deltas Alltag. Vor allem in der Region um Warri, wo sich eine der wenigen funktionierenden Ölraffinerien des Landes befindet, stören Angriffe bewaffneter Jugendgruppen immer wieder die Förderung. Es geht dabei nicht nur um Proteste gegen die ausländischen Ölmultis. Erst vor einer Woche mußte die erste einheimische Ölfördergesellschaft Nigerias, Dubri Oil, ihre Förderung von etwa 10.000 Barrel pro Tag in Gelegele nahe Warri nach einem Überfall einstellen. „Jugendliche aus Gelegele stürmten das Fördergelände und verjagten alle Arbeiter. Seither haben sie jedem den Zutritt verweigert“, sagte ein Augenzeuge gegenüber einer Nachrichtenagentur.

Wenige Tage zuvor erzwangen Bewohner zweier anderer Dörfer in der Gegend die Einstellung der Förderung auch in ihrem Gebiet. Eine Koordination solcher Aktionen ist nicht ausgeschlossen: Die Protestgruppen aus verschiedenen Gebieten des Niger-Deltas haben sich mit der Ogoni-Bewegung „Mosop“ in einer Koalition namens „Southern Minorities Movement“ zusammengeschlossen.

Nächste Woche könnte Nigerias Ölindustrie in große Probleme geraten. Die beiden größten nigerianischen Ölgewerkschaften, Nupeng und Pengassan, haben ab Montag zum Streik aufgerufen. Sie fordern die Nachzahlung nicht ausgezahlter Gehälter und Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Der letzte größere Streik im Ölsektor im Jahre 1994 brachte Nigerias Volkswirtschaft an den Rand des Ruins; Streiks treffen vor allem die Verladung für den Export in den Ölhäfen. Anfang dieser Woche bereits rief ein internationaler Bund von Ölgewerkschaften, dem die beiden nigerianischen Gewerkschaften angehören, zum Boykott nigerianischer Öltransporte auf, um die Freilassung inhaftierter Führer von Nupeng und Pengassan zu erzwingen. Dominic Johnson