Das Bafög für alle

■ Länder wollen 350 bis 400 Mark Studienförderung künftig unabhängig vom Einkommen der Eltern zahlen. Bis zu 1.250 Mark monatlich soll es für Bedürftige geben

Berlin (taz) – Die Kultusminister haben einen Traum: Sie wollen, daß jede Studentin und jeder Student eine elternunabhängige Unterstützung fürs Studium bekommt. Rund zwei Millionen Studierende hätten dann weniger Sorgen mit ihrem Lebensunterhalt. Sie könnten künftig auf eine Grundförderung von 350 bis 400 Mark monatlich zurückgreifen. Derzeit erhalten im Schnitt nur 15 Prozent der Studiosi Gelder nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög). Die gestern in Konstanz konkretisierte Idee der Kultusminister käme einer Revolutionierung des 1971 eingeführten Bafögs gleich.

Die gleichzeitig in Stuttgart tagenden Ministerpräsidenten haben nun die heikle Aufgabe, Bundeskanzler Helmut Kohl den Bafög-Umsturz schmackhaft zu machen. Sie sprechen am 18. Dezember mit dem Kanzler über das neue Bafög. Kohl hatte dem Vorhaben vergangenes Jahr schon einmal prinzipiell zugestimmt. „Am 18. Dezember wird sich zeigen, ob der Bundeskanzler auf seiten der Studierenden steht“, dämpfte die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD) gegenüber der taz verfrühte Hoffnungen. Die Reform sei für den eingeleiteten Umbau der Hochschulen ebenso unabdingbar wie für die Internationalisierung des Studiums. „Wer eine Studienreform möchte“, appellierte Brunn, „der muß jetzt für eine ordentliche Studienförderung sorgen.“

Nach dem Modell der Kultusminister sieht das neue Bafög so aus: Aus drei Körben könnten sich junge Leute Unterhalt während des Studiums nehmen. Die Grundförderung (Korb 1) geht an alle Studis. Abhängig vom Einkommen der Eltern könnte rund ein Drittel der Studierenden sein Bafög aus Korb 2 bis auf etwa 1.250 Mark aufstocken. Korb 3 schließlich ist für Studierende über der Regelstudienzeit gedacht. Sie könnten sich mit einem verzinslichen Darlehen durchs Examen retten. Der finanzielle Aufwand für das neue Bafög (rund sechs Milliarden Mark) ist nur auf den ersten Blick höher als der fürs alte (zwei Milliarden Mark). Die Kultusminister fassen in Zukunft Kindergeld und Steuerfreibeträge mit dem Bafög zusammen – dafür werden derzeit schon knapp sechs Milliarden Mark aufgewendet.

Das Drei-Körbe-Modell ist „annähernd kostenneutral finanzierbar“, teilte denn auch das Deutsche Studentenwerk mit. Sein Präsident Hans-Dieter Rinkens appellierte an Bund und Länder, das Gezänk ums Geld zu beenden. „Die Reform der Ausbildungsförderung darf nicht im Streit um Kostenberechnungen scheitern“, sagte Rink. Es sei erwiesen, daß das neue Drei- Körbe-Modell so leistungsfähig sei wie die Studienförderung anderer Länder – nur billiger.

Unterdessen machte Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) ein neues Faß auf. Der erklärte Gegner der Drei- Körbe-Lösung ließ mitteilen, der Vorschlag der Kultusminister sei „verfassungswidrig“, weil er einen Teil der heutigen Bafög-Empfänger und ihre Eltern schlechter stellt. Rüttgers stößt sich prinzipiell an den drei Körben, „weil sie die aktuelle Tendenz zu mehr privater Verantwortung konterkarieren“. Die Alternative des Zukunftsministers ist das bankenfinanzierte und verzinste Darlehen. Geht es nach Rüttgers, soll jeder Studierende statt Bafög künftig ein Stipendium als Kredit aufnehmen. Vor den Folgen warnen Bafög-Berater: Die Absolventen stünden vor einer beruflich unsicheren Zukunft und einem Schuldenberg von 70.000 Mark.

Die Bafög-Ämter drängen unterdessen mit harschen Worten auf eine neue Studienförderung. „Entweder es kommt eine Bafög-Reform, oder wir können zumachen“, sagte der Leiter des Berliner Bafög- Amtes, Andreas Brickwell, der taz. In Frankfurt erhielten nur noch 7,5 Prozent der Studierenden Bafög, an der Freien Universität Berlin knapp 10 Prozent.

Christian Füller Kommentar Seite 12