DGB trifft Keynes

■ Hamburger Zukunftskongreß diskutiert über die „Machtfrage Vollbeschäftigung“

Bild-„Zeitung“und Fernsehen haben unsere Hirne vernebelt. Die Kapitalisten sind ideologisch am Drücker. Und so kommt es, daß die schlichte „Wahrheit“, wie die Arbeitslosigkeit mit ein bißchen Staatseingriff wegzuputzen wäre, einfach kein Gehör findet. Mit derart bahnbrechenden Weisheiten verwöhnte am Wochenende der Aachener Volkswirtschaftsprofessor Karl-Georg Zinn den „2. Hamburger Zukunftsdiskurs“. Gut 100 Menschen hatten sich auf Einladung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Naturfreunde und des friedensbewegten Hamburger Forums im Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof eingefunden.

Die neu erwachte Debatte über Auswege aus der Arbeitslosigkeit spült auch die Keynesianer der 70er Jahre wieder an die Rednerpulte. Ihr Credo, von Zinn in vereinfachter Reinkultur vorgetragen: Nicht die neoliberale Angebotstheorie, nach der sich ein weltmarktfähiges Produkt von selbst seine Nachfrage schafft, sondern die Nachfragetheorie weist den Weg in die Zukunft.

Vollbeschäftigung, so Zinn, ist ganz einfach zu erreichen: Der Staat löst durch Erhöhungen bei Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sowie durch Umweltinvestitionen die „Nachfragekrise“und flankiert eine gewerkschaftliche Politik zur gerechteren Verteilung der Arbeit. Die These, rasante Produktivitätsfortschritte würden schneller Arbeitsplätze vernichten, als durch Konsumwachstum zu schaffen wären, hält Zinn für falsch. Gesamtgesellschaftlich sei der Produktivitäts-fortschritt bescheiden. Allein ein Problem räumte er ein: Um eine stärkere Binnennachfrage in Deutschland auch in deutsche Arbeitsplätze zu verwandeln, müsse es „Außenprotektionismus“geben, sprich Zölle gegen Billig-Importe. Wenn dann noch „Aufklärung“über diesen wahren Weg stattfindet und die Gewerkschaften erfolgreich die „Machtfrage“stellen, ist die Arbeitslosigkeit besiegt.

Diese schlichte Botschaft traf bei den Hamburger Diskutanten aber auf erhebliche Skepsis. Zinns Wachstumsglaube sei überholt, er unterschätze die Produktivitätsexplosion in der Industrie und mache sich zu wenig Gedanken über die Art der Produkte und die Form der Produktion. Die Antwort, wie Hamburg seine Arbeitslosigkeit bekämpft, steht noch aus.

Florian Marten