Foltermeister zum Liebhaben

■ „Umbra et Imago“luden in den Kindergarten der Lüste

Am Freitag abend war es ziemlich kalt geworden. Da war es eine nette Geste von „Umbra et Imago“, daß sie zu Beginn ihres Konzertes im „Modernes“die Bühne erstmal an drei Stellen anzündeten. So zog es das schwarz gewandete Publikum im mäßig gefüllten Saal vom hinteren Sitzbereich zum Bühnenrand wie Motten zum Licht. Die Flammen erwärmten Leib und Seele, bald standen nicht nur der ersten Reihe Tränen in den Augen. Ob es an Rührung oder am übermäßigen Einsatz der Nebelmaschine lag, sei dahingestellt.

Mit viel akustischem Brimborium betrat Frontmann Mozart die Bühne durch Nebelwand und flammenden Torbogen, an der einen Hand eine grazile Begleiterin, in der anderen einen Zeremonienstab. Mit seiner Vorne-kahl-hinten-lang-Frisur und seinem Netz-Leder-Nieten-Outfit wirkte er wie eine Mischung aus Gildo Horn und einem Sado-Dämon aus einem Clive-Barker-Film. Wohl nicht von ungefähr: Der Mann ist bekennender Sado-Masochist und legt eine erfrischend selbstironische Einstellung zu seinem Image und seiner Musik an den Tag.

Mal als alter Charmeur, mal mit Lausbuben-Charme führte er durchs Programm. Er lobte das Bremer Publikum, erzählte vom unaufregenden Musikerleben („Wir sind schon beinahe zu alt für Geschlechtsverkehr“), sprang ins Publikum und umarmte seine Anhänger. Zur Zugabe gestand er freimütig, sich beim Bühnenabgang „auf die Schnauze“gelegt zu haben. Es sei ein Kreuz mit seinen Absätzen; jeden Tag müsse er fünf Stunden üben.

Finster gab sich Mozart höchstens in seinen Liedern. Aber auch hier mehr Schein als Sein. Zu dünn klang die Stimme des knuddeligen Foltermeisters, um wirkliche Düsternis aufkommen zu lassen. Bemühte er sich um mehr Volumen, klang er allenfalls nach bierseligem Fußballfan auf der Heimfahrt nach dem Auswärtssieg. Wenig bemerkenswert auch die restliche Band: Elektronische Industrial-Elemente wurden von undurchdringlichen Gitarrenwänden in Schach gehalten, die zirpenden Keyboard-Töne, die wohl mittelalterlich gemeint waren, wirkten live noch platter als auf Platte.

Aber die Musik ist ja nur die halbe Miete bei einem „Umbra et Imago“-Konzert, schließlich wird eine „schockierende Show“versprochen. Eine Show gab es. Ob jemand schockiert war, ist fraglich. Wer hätte gedacht, daß das Grusel-Gogo unter der Nonnentracht ein hingehauchtes Nichts aus nietenbesetztem Leder trüge? Wahrscheinlich jeder. Wo kaum ein Fernsehtag ohne Berichterstattung über irgend eine Sexmesse vergeht, wird es auch niemanden weiter verunsichert haben, daß Frontmann und Gespielin sich zum Schluß abwechselnd kopfüber per Flaschenzug unter die Decke hängten und ein bißchen mit Feuer und Kerzenwachs herumspielten. All dies schien harmloser Spaß, und diesen Mozart mußte man einfach ganz doll liebhaben.

Andreas Neuenkirchen