■ Nachschlag: Die Toladá dance company beendete die Tanzzeit am Halleschen Ufer
Stromernde Sehnsucht: Jorge Morro, Liat Shinar Foto: Aurin
Die Selbstbeherrschung zu verlieren, erlebt man im Alltag fast nur als Niederlage. Trotzdem gibt es die Utopie, mit einem herrschaftsfreien Dialog zwischen Vernunft und Gefühl im eigenen Ich beginnen zu können. Von der Suche danach erzählt oft genug der Tanz und bleibt dabei nicht selten im Ausmalen einer Emotionalität stecken, die wie der Trostpreis für den nüchternen Alltag wirkt.
In den Tänzen, die Joseph Tmim und seine Toladá dance company als Materialien für ihr Stück „Silence dance“ (Premiere im Dezember) im leeren Bühnenraum des Theaters am Halleschen Ufer vorgestellt haben, wechseln sich Zustände der Beherrschung mit träumerischen und intimen Szenen ab. Ein anschwellender Maschinensound, der an den Film „Metropolis“ erinnert, unterstützt die vorwärtsdrängende Dynamik von Dreier- und Vierergruppen. Ein betontes Ausrichten der Köpfe und die Genauigkeit der Richtungen, die sich in komplizierten Mustern kreuzen und durchdringen, vermitteln die Vorstellung eines geplanten, kollektiven Prozesses. So werden Formen definiert, Grenzen gezogen, Terrains abgesteckt. Daneben bilden die Soli und Duette, an denen auch die Violonistin Anti von Klewitz mit Liedern, Tänzen und Rezitationen teilnimmt, den Schauplatz der Wende nach innen mit behutsamen und tastenden Bewegungen. In ihnen verschwimmen die Grenzen des Ich, und eine ziellos stromernde Sehnsucht wird als Kern freigelegt, manchmal in etwas klammen Bildern. Die Stille, die Voraussetzung für das innere Abtauchen ist, entsteht aus der Abschottung gegen die Außenwelt. Man könnte die Transformation zwischen den Zuständen als Ziel des Stückes vermuten.
Auch mit der Premiere im Dezember wird die Arbeit an „Silence dance“ für Toladá noch nicht abgeschlossen sein. Denn Joseph Tmim, der 1985 die israelische Bat-Sheva-Dance-Company verließ und seitdem als Choreograph in Deutschland arbeitet, hat die Erfahrung der Unterschiede zwischen der „eher impulsiven israelischen Kultur“ und der deutschen Zurückhaltung zum Ausgangspunkt genommen. Deshalb will er das Projekt 1998 mit israelischen Gasttänzern fortsetzen. Katrin Bettina Müller
Premiere von „Silence dance“ am Halleschen Ufer am 11.12.
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