Wut, Haß und eine schöne Pointe

Nach dem 3:1 über Karlsruhe ist Jürgen Röber nicht nur „der beste Mann“ – sondern bis auf weiteres Trainer des gescheiterten Bundesliga-Unternehmens Hertha BSC  ■ Von Peter Unfried

Berlin (taz) – Auf der Anzeigentafel stand es doch. In Gelb: Trainer. Und dahinter in Weiß: J. Röber. Die Kurve tat auch, als hätte sie keinen Zweifel: „Jürgen Röber“, sang die, bevor das Spiel auch nur begonnen hatte, „du bist der beste Mann.“

Und dann kam er, ein dead man walking, bahnte sich den Weg durch die Kameras und Fotografen – und versuchte auszusehen, als ginge ihn das Ganze nichts mehr an. Tat es ja auch nicht.

Dann waren da diese wuchtigen Wolken, der Regen, der unaufhörlich prasselte. Der Wind, der unfröhlich sein Lied vom Tod pfiff. Und dann fiel nach einer Minute das 0:1 – und Röber zog sich schon mal die Kapuze über den Kopf. Wusch – ab.

Na, und heute ist Montag, und wenn nicht alles täuscht, ist Röber immer noch Trainer des Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga. Wie konnte das passieren? Präsident Manfred Zemaitat tat auf die Frage, ob er nun ein Problem habe, ahnungslos: „In welcher Hinsicht?“ In jener vielleicht, daß man nun mit einem Trainer weiterarbeiten muß, den man eigentlich schon abserviert hatte.

Warum Hertha das Spiel gewann? „Schwer zu sagen“, sagte Torschütze Michael Preetz und erwähnte „das Wetter“, die „Leute“, und die Vermutung, „daß wir zurückgefightet haben.“ Nicht unwesentlich lag es auch daran, daß Karlsruher SC „das 2:0 nicht machte“ (Trainer Schäfer), als der Gegner um den Gnadenschuß geradezu flehte. Als die Herthaner Rekdal und Kiraly beim Eigentorversuch seltsamerweise scheiterten, ahnte man bereits, daß es auf eine Pointe herauslaufen könnte.

Preetz wußte noch etwas. „Es ist schon eine andere Situation, ob von der ersten Minute an gegen den Trainer gepfiffen wird“, sagte der Stürmer, „oder ob alle Trainer und Team unterstützen“. Daß die Leute im Stadion trotz eindeutiger Meinungsäußerung der Mehrheit der lokalen Presse Röber behalten wollen, zwang das scheinbar tote Team letzlich zum Votum für den Trainer.

Nun steht der grundsätzlich gutmütige Mann da, spürt „ein bißchen Wut“ oder auch „Haß“ über eine Situation, „die ich meinem ärgsten Feind nicht wünsche“. Natürlich tat er nur so, als interessiere ihn alles nicht mehr. Der Mannschaft sagte er, er wolle bloß noch einmal „die ärgern“. Eigentlich aber will er, daß alles gut wird. Und das, selbst nachdem ihn sein Arbeitnehmer zur Witzfigur reduzierte, indem man ihn bereits am vergangenen Donnerstag durch ein Spalier von einem halben Hundert Medienschaffenden zum vermeintlich letzten Gang in ein Berliner Hotel bestellte. Inzwischen sagt auch Manager Dieter Hoeneß, es habe sich dabei um „keine besonders glückliche Veranstaltung“ gehandelt.

Die Sache zeigt exemplarisch das Problem der vielen Verantwortlichen, mit den komplexer gewordenenen Rahmenbedingungen zu Rande zu kommen. Die Frage, wer von welchem Klo aus welchem Medienvertreter Internas steckt, beschäftigt manchen mehr als die Ergebnisse solchen Treibens. Daß so der Versuch scheitert, das erste Fußball-Unternehmen seiner Art aus dem Boden zu stampfen, daran läßt auch der samstägliche Sieg wenig Zweifel. Die Frage ist: Arbeiten Präsidium und ufa-Aufsichtsrat von nun an daran, das Unternehmen mit zeitlicher Verzögerung doch auf die Beine zu bringen – oder beschäftigen sie sich weiter damit, die Schuldfrage von der Toilette aus umzuverteilen?

Es ist bei Hertha so, daß die Strukturen schnelles Handeln erschweren. Hoeneß sagt, er habe erst seit letzten Donnerstag „finanziellen Spielraum“ für dringend nötige Neuverpflichtungen. Andererseits haben Trainer und Manager Personalkorrekturen sehr lange ausgeschlossen.

Daß der Manager an die Außenlinie hinabeilte, um den alten Weggefährten Röber zu schnappen und zu herzen, war eine klare Meinungsäußerung. Es sei „sicherlich nicht falsch, das so zu sehen“, sagte Hoeneß, der sich neuerdings emotional gibt. Will er mit Röber weitermachen, muß er in diesen Tagen die ufa-Manager überzeugen. Präsident Zemaitat darf dann das Beratungsergebnis verlesen.

„Wenn der Verein am Montag verkünden würde, Röber ist entlassen“, argumentiert Hoeneß, „würde das niemand verstehen.“ Nun mag man finden, die folgende Pointe sei billig, aber was soll's: Bei Hertha muß das gar nichts heißen.

Hertha BSC: Kiraly – Karl (75. Arnold) – Herzog, Sverrisson – Veit, Andreas Schmidt, Rekdal, Dinzey (46. Fährmann) – Roy – Tchami (77. Kruse), Preetz

Karlsruher SC: Reitmaier – Wittwer – Ritter, Regis – Keller (82. Gilewicz), Reich, Nyarko, Hengen, Schepens – Häßler – Schroth (55. Dundee) -Zuschauer: 29.604

Tore: 0:1 Keller (2.), 1:1 Roy (55.), 2:1 Sverrisson (81.), 3:1 Preetz (90.)