■ Bonn nennt Israels Siedlungspolitik völkerrechtswidrig
: Roter Teppich für Arafat

Kein Zweifel, Palästinenserpräsident Arafat hat bei seinem Deutschlandbesuch einen diplomatischen Erfolg errungen. Die Bundesregierung hat in seltener Eindeutigkeit Israels Siedlungspolitik als das bezeichnet, was sie ist: als völkerrechtswidrig. Der Druck auf Israels Ministerpräsidenten, seine expansive Siedlungspolitik zu stoppen, wächst. Die Ankündigung einer gemeinsamen europäisch-amerikanischen Initiative, um den dahinsiechenden Friedensprozeß zu retten, ist Wasser auf Arafats Mühlen. Seit langem fordert er ein stärkeres Engagement der Europäer.

Wenn in dieser Woche in Washington die israelisch-palästinensischen Verhandlungen auf Außenministerebene fortgesetzt werden, wird die israelische Regierung mehr bieten müssen als bloße Lippenbekenntnisse. Längst sind nämlich auch Washingtons Diplomaten höchst verärgert, von Netanjahu beständig mit leeren Versprechungen hingehalten zu werden. In der israelischen Presse wird sogar das Gerücht kolportiert, Netanjahu sei in den USA Persona non grata. Noch hat US-Präsident Clinton dem israelischen Ministerpräsidenten keinen Besuchstermin eingeräumt. Bislang wird Netanjahu im kommenden Monat nur zur Tagung der großen jüdischen Organisationen in den USA erwartet. Die dreitägige Vermittlungsmission von US-Unterhändler Dennis Ross in der vergangenen Woche war ein klares Signal für das Mißtrauen der USA gegenüber der Regierung Netanjahu. Und zugleich Ausdruck einer direkteren US-Beteiligung an den nahöstlichen Friedensverhandlungen. Ross gelang es, die Verhandlungen auf allen Ebenen wieder in Gang zu bringen. Doch die Ergebnisse sind strittig. Während die israelische Regierung dies als „Fortschritt“ verstehen will, kritisieren die Palästinenser, daß bislang keine substantiellen Ergebnisse zu verzeichnen sind.

In der Tat verweigert Netanjahu strikt den vereinbarten nächsten Teilrückzug seiner Truppen. Und von einem Stopp im Siedlungsbau will er zumindest offiziell nichts wissen. Arafats einzige Chance liegt in der Internationalisierung des Konflikts. Je mehr auswärtige Mächte er ins Feld führen kann, desto stärker wird seine Position. Doch während die Europäer einen starken Arafat wollen, ist die US-Regierung mit einem schwächeren einverstanden. Weniger aus politischer Vernunft denn aus Rücksicht auf Israel. Den Kongreß und die Regierung in dieser Frage umstimmen, das könnten jetzt allein die jüdischen Organisationen in den USA. Und völlig ausgeschlossen erscheint dies nicht mehr. Georg Baltissen