Protestmarsch gegen Algiers Präsidenten

Algeriens legale Oppositionsparteien wollen die Kommunalwahlen der letzten Woche annullieren lassen. Denn angeblich haben die Freunde von Staatschef Liamine Zéroual die Ergebnisse massiv manipuliert  ■ Aus Algier Reiner Wandler

Die größte laizistische Oppositionspartei Algeriens, die Front der Sozialistischen Kräfte (FFS), hat für heute mittag zu einem „Nationalen Protestmarsch für die sofortige Annullierung der Kommunal- und Departementswahlen“ nach Algier aufgerufen. Der Urnengang vom vergangenen Donnerstag sei „ein Überfall nach Gangstermanieren“, tobte gestern Generalsekretär Ahmad Dscheddai. Häufig seien bereits halbvolle Urnen aufgestellt oder unliebsame Stimmen nicht ausgezählt worden. Vielerorts seien Beobachter der Opposition nicht zugelassen worden, obwohl das Wahlgesetz dies vorsieht. „Das Ergebnis wurde hinter verschlossenen Türen festgelegt“, protestierte Dscheddai.

Laut offiziellen Angaben hat die zur Unterstützung von Präsident Liamine Zéroual gegründete National-Demokratische Versammlung (RND) sowohl auf kommunaler als auch auf regionaler Ebene über die Hälfte aller Sitze gewonnen. Die Oppositionsparteien mußten gegenüber den Parlamentswahlen vom Juni schwere Einbußen hinnehmen.

Auch andere Oppositionelle fordern eine Annullierung der Wahlen, darunter Louisa Hanoune, Vorsitzende der trotzkistischen Arbeiterpartei (PT). Ihre Partei wird ihre Sitze in Gemeinde- und Regionalverwaltungen erst gar nicht einnehmen. Abdalah Dschaballah, Chef der gemäßigten islamistischen an-Nahda, sieht sich um mehrere Gemeinden betrogen. Selbst die beiden Regierungspartner der RND, die islamistische Soziale Bewegung für den Frieden (MSP-Hamas) und die Ex-Einheitspartei FLN, sprechen von Wahlbetrug.

Zu den ersten Spontandemonstrationen kam es bereits in der Nacht nach den Wahlen. Vor allem die Anhänger der radikallaizistischen Versammlung für Kultur und Demokratie (RCD) versammeln sich in den letzten Tagen immer wieder zu kleinen Kundgebungen und Protestmärschen im Zentrum Algiers und im Nobelviertel al-Muradia, wo auch Präsident Zéroual gewählt hat. In kleinen Gruppen umgehen sie die Polizeisperren, um dann unter lauten Rufen „Wir haben RCD gewählt, in den Urnen lag die RND“ gewaltfrei den Verkehr zu blockieren. Der RCD-Vorsitzende Said Sadi und die Feministin und RCD- Parlamentsabgeordnete Khalida Messaudi belegen ihre Vorwürfe mit den Listen der ausgezählten Stimmen. In vielen Stadtteilen Algiers bezeugten die Vertreter aller Parteien – mit Ausnahme der RND – nach der Auszählung mit Unterschrift und Stempel den Sieg der RCD. Bei Bekanntgabe des Ergebnisses hatten die Zahlen zugunsten der RND gewechselt.