■ Nebensachen aus Kairo
: Garagenmafiosi und Entenärsche

„Ja Asisa“ (O meine Allerliebste), „ja Sasua“ (mein kleiner Piepmatz). Die Wörter mit denen Ägypter ihre fahrbaren Untersätze belegen, zeugen davon, daß das Auto nicht nur der Deutschen liebstes Kind ist. Dabei sehen viele der alten Klapperkisten auf Kairos Straßen eher beklagenswert aus. Doch egal ob in bejammernswertem Zustand oder funkelnagelneu: So ein Gefährt will gut geparkt und gehätschelt werden. Zumal die staubigen Straßen den guten Stücken arg zusetzen. Eine allmorgendliche Befreiung von einer zarten Schicht aus Dreck und Wüstensand ist unabdingbar.

Meist geschieht dies allerdings nicht eigenhändig. Denn wer sich im Land am Nil ein Auto leisten kann, der hat auch genug Geld, um ihm von fremder Hand die notwendige Fürsorge angedeihen zu lassen.

Erledigt wird dies meist von den Jungs aus der „Garage“. Solche informellen „Garagen“ werden in der gesamten Innenstadt von einer Art Auto-Schutz- und -Wasch-Mafia unterhalten. Deren Pate erklärt eine bestimmte Straße – etwa die vor unserem Haus – zur „Garage“. Will heißen: zu seinem Territorium. Wer dann noch so verwegen sein sollte, sein wertvolles Stück dort ohne Einverständnis des Paten zu parken, bezahlt einen Preis – etwa eine Schramme im neuen Lack oder bei wiederholtem Tatbestand ein oder zwei platte Reifen. „Parkgenehmigungen“ gibt es selbstverständlich gegen Bezahlung. Zu verhandeln gibt es dabei wenig, dank des Garagen- Monopols, das sich über der Länge der gesamten Straße erstreckt. Aber auch wer ins Geschäft gekommen ist, wird gelegentlich jäh an die Tarifbedingungen erinnert. Wenn die Jungs von der Garage beginnen, ihr Frühstück auf der Motorhaube einzunehmen, ist es Zeit für eine Gehaltserhöhung.

Aber zurück zum eigentlichen Objekt der Begierde. Nicht nur das individuelle Auto bekommt in Ägypten Kosenamen, sondern gelegentlich ein ganzer Typ. Jedes Kind kennt die Namen, mit denen die bei der Oberschicht populären Modelle einer Stuttgarter Autofirma belegt werden: Nur noch selten findet sich „Chansira“ (die Sau) auf Kairos Straßen, das alte abgerundete Modell aus den 70er Jahren. „Timsah“ (das Krokodil) aus den 80ern ist dagegen noch öfters zu bewundern. Wer tiefer in die Taschen gegriffen hat, fährt das hinten leicht nach oben gezogene Modell 200 der frühen 90er – bekannt als „Entenarsch“. Neuere Modelle wie das „Gespenst“ oder die „Mutter der bezauberten Augen“ (Kennzeichen: runde Scheinwerfer) finden sich häufig in den Botschaftsvierteln. Manchmal schlägt sich in der Namensgebung auch die Verachtung gegenüber der reichen Elite wieder. „Al-Budra“ (das Puder) heißt der größte Stuttgarter Luxusschlitten am Markt – eine Anspielung darauf, daß dessen Besitzer nach Volkes Meinung im Drogengeschäft reich geworden sind.

Auch aktuelle Ereignisse können namensstiftend sein. So war die Prinzessin von Wales noch nicht unter die Erde gebracht, da war schon die neue Auto-Taufe vollzogen – für das Modell des Unfallwagens im Pariser Tunnel. „Wer einen ,Diana‘ fährt, der kann sich hier wohl alles erlauben“, entfährt es meinem Taxifahrer in einer Mischung aus Ärger und Ehrfurcht, während er auf eine schwarze Limousine deutet, die gerade unverfroren die Kreuzung bei Rot überquert. Karim El-Gawhary