Auf vielen Gleisen gegen den Castor

Auf ihrer alljährlichen Herbstkonferenz haben die Anti-AKW-Gruppen ihre Strategien abgestimmt. Erste Aktionen sollen in der nächsten Woche gegen den Transport von Atommüll aus Ahaus beginnen  ■ Aus Göttingen Jürgen Voges

„Mehrgleisig gegen den Strom“, hieß das Motto der diesjährigen Herbstkonferenz der Anti-AKW- Bewegung, zu der am Wochenende unerwartet viele Vertreterinnen von unabhängigen Anti- Atom-Initiativen aus ganz Deutschland angereist waren. Der Widerstand gegen Atomtransporte, darin waren sich die 350 überraschend jungen KonferenzteilnehmerInnen einig, soll auch künftig der wichtigste Hebel für den schnellen Ausstieg aus der Atomkraft sein.

Den jungen Frauen und Männern, deren Altersdurchschnitt bei vielleicht 25 Jahren lag, reichen aber die großen Blockaden im Wendland gegen die Transporte ins Gorlebener Zwischenlager längst nicht mehr. „Unter dem Motto ,Nix mehr‘ werden sich die Proteste auch gegen die Transporte zum zweiten deutschen Zwischenlager in Ahaus und gegen die Transporte zu den WAAs in La Hague und Sellafield richten“, heißt es in einer von der Konferenz verabschiedeten Erklärung.

Die AKW-GegnerInnen, die zum größten Teil von den Atomplena der Groß- oder Mittelstädte, aber auch von den Bürgerinitiativen an den AKW- und Entsorgungsstandorten nach Göttingen geschickt worden waren, wollen sich aber auch nicht verzetteln, sondern sich ein halbes Dutzend Schwerpunkte bei den Aktionen gegen Atomtransporte setzen. Neben den Castortransporten, die nach Ahaus drohen, soll vor allem der Abtransport von abgebrannten Brennelementen aus den AKW Krümmel, Grafenrheinfeld und Neckarwestheim be- oder verhindert werden.

Die nächste Aktion steht wahrscheinlich schon in der kommenden Woche vor dem schleswig-holsteinischen AKW Krümmel an. Leere Castoren sind dort bereits eingetroffen, die mit hochradioaktivem Müll gefüllt ins englische Sellafield geschickt werden sollen. Gegen den Transport, dessen genaue Route noch nicht bekannt ist, soll es nicht nur bei der Abfahrt in Krümmel, sondern auch auf dem weiteren Schienenweg durch Deutschland, Frankreich und England Aktionen geben. Die internationale Unterstützung sicherten Bürgerinitiativen von jenseits der deutschen Grenzen zu. Neben AKW-Gegnern aus Frankreich und Belgien hatten selbst aus Tschechien, Österreich und Belarus Anti-AKW-AktivistInnen den Weg nach Göttingen gefunden.

Zunächst sehr kontrovers diskutierten die unabhängigen Anti- Atom-Initiativen die Formen ihres Widerstandes und die sich immer wider aufwerfende Gewaltfrage. Am Ende landeten sie dann jedoch bei jenem Konsens, der seit jeher in der AKW-Bewegung gilt: Gegen Atomtransporte und für den eigentlich angestrebten Ausstieg, der „ohne Gefährdung der Versorgungssicherheit und ohne eine Erhöhung der CO2-Emissionen sofort möglich ist“, seien „alle Aktionen legitim, die keine Menschen gefährden“.

Darüber hinaus bekräftigte die Konferenz den Anti-AKW-Pluralismus. Es müsse sich keineswegs jeder an allem beteiligen, sondern ein Nebeneinander von verschiedensten Aktionsformen sei erwünscht. Als Erfolg der Bewegung wertete die Konferenz die Stillegung und den geplanten Abbruch der vier Hannauer Brennelementfabriken, in die Siemens zuletzt noch eine knappe Milliarde Mark investiert hatte.