Ein Bauchladen voll Umweltschutz

Die Grünen debattierten an diesem Wochenende ihr Wahlprogramm zur Umweltpolitik. Statt des großen Wurfs wurde lieber pragmatisch an Details gefeilt  ■ Aus Berlin Matthias Urbach

Gunda Röstel brachte die Debatte unfreiwillig auf den Punkt. Sie schloß ihre Einleitung zur Debatte des ökologischen Teils des Wahlprogramms mit den Worten: „Das ist eine Sache, für die die Grünen stehen: Umwelttechnik.“ Und die grüne Vorstandssprecherin hatte sich schon einen halben Schritt vom Rednerpult entfernt, als sie sich korrigierte: „Entschuldigung: Umweltschutz.“

Rund hundert Grüne hatten sich am Wochenende in Berlin- Mitte zum „Programmratschlag“ versammelt, um den Umweltprogrammentwurf des Vorstandes zu debattieren. Die Veranstaltung war besser besucht als diejenige, die vor zwei Wochen zur Außenpolitik stattfand, wo heftig über Nato und Bundeswehr gestritten wurde. Hier blieb der große Streit aus. Umweltschutz ist in der Defensive. Einer Studie im Auftrag der Grünen zufolge ist selbst im Wählerstamm Umweltschutz nur für sechs Prozent das wichtigste Thema. Bei 60 Prozent stehen dagegen Arbeitsplätze auf Rang eins. Daß sich da grüne Wähler kaum noch von anderen Wählern unterscheiden, merkt man auch dem Wahlprogrammentwurf an: Statt mit „Umweltschutz“ ist er mit „Ökologisches Wirtschaften“ überschrieben (der Teil zur Wirtschaft heißt dann „Nachhaltiges Wirtschaften“).

Auch die Präambel wurde von Ecken und Kanten so weit befreit, daß selbst Podiumsteilnehmer Stefan Lücke vom Bund Junger Unternehmer fragte, ob „der Westerwelle jetzt bei den Grünen ist“.

Innovation bringt Umweltschutz, und Umweltschutz bringt Arbeitsplätze, so die optimistische und zeitgemäße Botschaft des Wahlprogramms. Da hatte eigentlich keiner der anwesenden Grünen etwas dagegen, doch manchen plagte schon die Sorge, ob angesichts solcher Formulierungen künftig Platz ist für solchen Umweltschutz, der Geld kostet – und vielleicht auch Jobs. Dem aufs Podium geladenen Präsidenten des Naturschutzbundes mußte dieser Mangel auffallen: Im Naturschutz sei der Entwurf „total unterbelichtet und veraltet“, die Naturschutzverbände fühlten sich etwas im Stich gelassen von den Grünen.

Die hessische Umweltministerin Margarethe Nimsch bezweifelte, daß die Formel „Umweltschutz bringt Jobs“ immer aufgehe: „Da muß man vorsichtiger sein.“ Auch im Plenum vermißten manche langjährigen Mitglieder die gewohnte Schärfe: Warum es statt „Umbau“ jetzt „Modernisierung“ heiße, warum die Kohlesubventionen nur noch „reduziert“ und nicht mehr „abgeschafft“ werden sollten. Und warum das Wirtschaftswachstum als solches nicht mehr in Frage gestellt werde?

Ralf Fücks, Chef der Grünen- nahen Böll-Stiftung, formulierte diese Kritik am deutlichsten: „Wir müssen uns von der Wachstumsdroge unabhängig machen.“ Nur so könne die Naturzerstörung gebremst werden.

Sein Beitrag bekam zwar viel Applaus, vor allem, weil hier noch einmal das alte grüne Selbstbewußtsein durchschimmerte. Trotzdem war sein Ansatz nicht mehrheitsfähig. Pragmatisch wurde dann in den Arbeitsgruppen am Programm gefeilt, vor allem wurde der Naturschutzteil verstärkt. Ansonsten brachte noch jeder die Forderung rein, die ihm besonders am Herzen lag.

Dies allerdings verstärkte nur den für grüne Programme so typischen Bauchladencharakter. Vorstandssprecher Jürgen Trittin kündigte zwar an, das Programm werde noch auf die wichtigsten Projekte wie die Ökosteuerreform konzentriert. Ob sich das auf dem Parteitag im März durchsetzen läßt, muß sich noch zeigen.