■ Zur Einkehr
: „Im“Hei nun

Mittagszeit im Büro, die Mägen der KollegInnen knurren hörbar. Ein Glück, daß fast jede Firma eine „Seele des Hauses“hat. „Will jemand was vom China-Mann“, fragt die Seele dieses Hauses und erntet ein vielstimmiges Ja-Wort. Schon reicht sie, die ein er ist, den Bestellschein von Hand zu Hand und faxt den ausgefüllten Bogen schließlich dorthin, wo man simple Bedürfnisse befriedigt: An einen Menü-Service, an den „China-Mann“namens Hei Nun.

Firmen wie Menke Menue, Chop-Seuy-Express und ungezählte Pizza-Bringdienste konkurrieren um die fußfaulen EsserInnen. Doch statt fröhlich in den ganzen Angeboten fremd zu gehen, ist auch dieses Kapitel aus dem Leben in der Dienstleistungsgesellschaft ein Beispiel für die Irrationalität in der Ökonomie: Irgendwann schleift sich eine Gewohnheit ein, und nicht mal die Seele dieses Hauses weiß, warum zur Zeit ausgerechnet Hei Nun bevorzugt wird.

Ist es die Schnelligkeit? Nein. Bis elf Uhr oder aber mindestens eine Stunde vor dem gewünschten Liefertermin bittet Hei Nun um den Eingang des Bestellscheins. Darauf zur Auswahl steht das, was hierzulande unter chinesischer Küche verstanden wird: Wöchentlich wechselnde Gerichte – vegetarisch oder nicht – sowie ein Repertoire zwischen Frühlingsrollen sowie knuspriger Ente mit Salat und Beilage nach Wahl. Daß meist mit eineinhalb Stunden Wartezeit zu rechnen ist, läßt auf eine frische Zubereitung schließen.

Dann muß es also die Qualität sein? Na ja. Gegen das Bringdienst-Handicap der Styroporverpackungen und den Temperaturschwund hat auch die beste Köchin Mühe, doch die ist bei Hei Nun ohnehin nicht anzutreffen. Eine „scharfe Sauce“schmeckt hier scharf und zugleich wässrig und sticht damit immerhin die geschmacksneutrale Panade der gebackenen Ente sowie den ebenso nichtssagenden Reis aus. Man kann viel Pech haben bei Hei Nun, aber es gibt auch löbliche Ausnahmen. Zehn kleine Frühlingsrollen für fünf Mark sind ein so preiswerter wie schmackhafter Snack, und mit etwas Glück wählt der Hungrige das wechselnde Gericht aus, das nicht nur scharf und wässrig, sondern auch nach exotischer Würzung schmeckt (in dieser Woche eindeutig das zweimal gebratene Schweinefleisch).

Dennoch: Für die zugegebenermaßen günstige Preisspanne zwischen fünf und zwölf Mark legen richtige Chinarestaurants mittags die weiße Decke auf den Tisch. Also spricht nicht die Schnelligkeit und nicht die Qualität für Hei Nun, sondern nur eins: schlichte Faulheit.

Christoph Köster