Die ganze Welt in der Provinz

Leben in der Bundesliga (VI): Das Squash-Universum ist klein. Obwohl Deutsche international nichts zu melden haben, spielt sich das meiste in den hiesigen Ligen ab  ■ Von Bernd Pickert

Berlin (taz) – Jammern gehört zum Squash wie der weiche Gummiball, der an die Frontwand gedroschen wird. Der Boom, den die ehemalige Knastsportart im geschlossenen Kasten noch in den 80er Jahren erlebte, ist lange vorbei. Olympisch ist Squash auch für die Spiele in Sydney nicht geworden – das IOC wollte nicht noch mehr Sportler bei den Sommerspielen.

Die internationale Squash-Gemeinde würgte noch über die Zulassung von Beachvolleyball bei den letzten Olympischen Spielen – da kam auch schon die Ablehnung für den Antrag des Squash- Weltverbandes, die neben Badminton schnellste Schlägersportart dann eben in die Winterspiele einzubeziehen. Begründung: Squash habe nichts mit Eis und Schnee zu tun. Traurig ist's: Da rackern sich volltrainierte Männer und Frauen ab, was sie können – und niemand will sie.

Rund eine Million Männer und Frauen spielen in Deutschland mehr oder weniger regelmäßig Squash, aber nur knapp 30.000 davon sind in Vereinen organisiert. Andere Trendsportarten haben Squash den Rang abgelaufen – ein richtiger Zuschauersport war Squash in Deutschland ohnehin noch nie. Also hat am Wochenende auch die neue Saison der ersten und zweiten Männer-Bundesliga weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit begonnen. Es ist kaum zu erwarten, daß es den Frauen an ihrem ersten Spieltag am 15. November viel besser gehen wird.

Wenn hundert ZuschauerInnen kommen, dann platzen die kleinen Tribünen der meisten Erstliga- Vereine bereits aus allen Nähten – aber das kommt auch nicht so oft vor. Dabei spielt in der deutschen Bundesliga fast alles, was im internationalen Squash Rang und Namen hat. Kaum irgendwo auf der Welt können so regelmäßig die Allerbesten bewundert werden wie in Deutschland – obwohl oder weil die Deutschen eigentlich weltweit wenig zu melden haben.

Der deutsche Einzelmeister Simon Frenz etwa steht in der Weltrangliste auf Platz 31. Frenz spielt für die Boastars Kiel in der 1. Bundesliga auf Position zwei. Das Team gilt als Titelfavorit – auch wenn es den Auftakt durch eine Niederlage gegen SH 5-Linden Hamburg am Sonntag glatt vermasselte.

Platz eins ist bei den Kielern wie bei allen anderen Bundesligamannschaften einem ausländischen Topspieler vorbehalten – Chris Walker, Nummer 7 der Weltrangliste. Wenn Kiel gegen den Paderborner SC antritt, dann steht Walker entweder gegen den Schotten Peter Nicol im Betonkasten, die derzeitige Nummer zwei der Weltrangliste, oder gegen den Australier Rodney Eyles, den Weltranglistendritten.

Fußball kennt eh jeder. Die taz-Serie untersucht: Wie lebt es sich in anderen Bundesligen? Bisher erschienen: Judo (30. April), Faustball (27. Mai), Baseball (10. Juni), Mountainbike (2. September), Kegeln (14. Oktober)

Daß auf den Plätzen zwei bis vier, die die Mannschaften komplettieren, nur deutsche Spieler antreten, liegt an einer Art freiwilliger Selbstbeschränkung der Vereine der Deutschen Squash-Liga (DSL), die trotz eines gegenteiligen Grundsatzurteils (Bosman) nur einen Ausländer pro Team zulassen, ohne Unterschied, ob der nun aus einem EU-Land kommt oder nicht.

So international die Liga auf ihren ersten Plätzen besetzt ist, so seltsam liest sich die Provenienz der führenden Klubs. Von Ingolstadt, dem Tabellenführer nach dem ersten Spielwochenende, nach Parsdorf, von Kiel über Hamburg nach Paderborn, von Bonn- Pennenfeld über Essen/Mülheim nach Neugablonz führt der Weg der 1. Liga. Hätte nicht der amtierende deutsche Mannschaftsmeister Happy Squash Club Nürtingen unmittelbar vor dem Saisonstart verletzungsbedingt seine Meldung zurückziehen müssen, wäre auch noch die schwäbische Provinz vertreten gewesen.

Was aber nutzen lauter Stars im Court, wenn sie niemand kennt? In der Squash-Nation Ägypten wird jedes größere Turnier live im Fernsehen übertragen, es gibt jede Menge Sponsoren, und selbst Präsident Mubarak gilt als begeisterter Squash-Fan, der täglich auf seinem Privatcourt trainiert. Wie anders in Deutschland: Hier freut sich die gesamte Squash-Gemeinde, wenn irgendwann spät nachts mal eine Übertragung im DSF zu sehen ist – doch selbst das kommt so oft nicht vor. So setzen die Squash-Funktionäre ihre ganze Hoffnung auf die WM der Frauen, die im nächsten Jahr in Stuttgart ausgetragen wird. Anders als bei den Männern gibt es mit der Parsdorferin Sabine Schöne eine Frau unter den Top ten der Welt, die als deutsche Identifikationsfigur den Sport populär machen soll.

Die unangefochten beste deutsche Spielerin trat in der letzten Saison bei den Männern an – weil sie sich bei den Frauen unterfordert fühlte. In der 2. Bundesliga konnte sie immerhin sechs von acht Spielen gewinnen – und war damit beteiligt am Aufstieg der Männer in die 1. Liga.

Zur Belohnung darf sie jetzt bei den Frauen auf der „Ausländerinnenposition“ eins spielen. So kann sie sich mit den Frauen messen, mit denen sie es auch bei der WM in Stuttgart zu tun bekommen wird: Die australische Weltranglistenerste Sarah Fitz-Gerald hat in der vergangenen Woche bei der WM in Sydney ihren Titel verteidigt – in der Liga spielt sie für Herford. Die Engländerin Cassie Jackmann, Nummer drei der Welt, tritt für Paderborn an.

Die Squash-Welt ist eben klein und übersichtlich. Schade eigentlich.