Padanier wählen ihr Sezessionsparlament

■ Lega Nord spricht von fünf Millionen Stimmen. Die konnten auch mehrfach abgegeben werden

Rom (taz) – Großer Jubel bei Italiens Lega Nord: Die von ihr ausgerufenen Wahlen zum Verfassunggebenden Parlament der „Republica Padana“, der Poebene-Republik, sollen nach Angaben der Veranstalter mehr als fünf Millionen Stimmzettel in die Urnen gebracht haben. Dem widerspricht sowohl das Innenministerium wie nahezu die gesamte Presse, nach deren Beobachtungen nur eineinhalb bis zwei Millionen von fast 18 Millionen „Berechtigten“ abgestimmt haben. Konkrete Wertungen sind schwierig – niemand mußte seinen Personalausweis vorlegen, heimliche Mehrfachabstimmung war möglich.

Die gut 70.000 Wahlhelfer und Vorstände der 22.000 Wahllokale stammten nahezu ausschließlich aus den Reihen der Lega Nord. Ausgezählt wird ohne Kontrolle oder Einschaltung unabhängiger Beobachter. Wie die insgesamt 43 verschiedenen Listen mit gut 2.000 Kandidaten für die 200 Sitze im Konstitutionsparlament am Ende abgeschnitten haben, wird sich erst im Laufe der Woche zeigen. Das Spektrum reichte von den drei großen Formationen der Fortschrittlichen, Liberaldemokraten und Katholiken bis zu eher marginalen Gruppen wie „Padanische Kommunisten“ oder „Liste für die Eingewanderten der Poebene“.

Von den anderen Parteien wird die Abstimmung als parteiinterne Meinungsumfrage (Linksdemokraten) oder auch als Folklore (Forza Italia) eingestuft. In jedem Falle aber, so Innenminister Giorgio Napolitano, sei sie „null und nichtig“ im Hinblick auf die Entstehung einer konstitutionellen Einrichtung. Ohnehin hofft die Regierung, daß sich der Sezessionismus spätestens nach dem Euro-Beitritt Italiens sowieso totläuft. Gleichwohl sehen sich die Lega-Vorreiter um den Abgeordneten Umberto Bossi (seit seinem ersten Einzug in den Senat 1987 „Senatur“ genannt) nun voll anerkannt. „Kein Polizist hat unsere Wahlstände kritisiert, kein Staatsanwalt hat unsere Aktion als Verfassungsbruch beanstandet“, sagt Bossis engster Vertrauter, Roberto Maroni. „Unsere Wahl war legal, und somit wird auch die von uns auszuarbeitende Verfassung nicht mehr anzugreifen sein.“

Zur Debatte stehen dabei zwei Modelle: ein eigener Staat, der von Rom total unabhängig ist, oder eine eigene Republik, die in Form einer Konföderation mit dem Rest Italiens verbunden ist. Dieser müßte nach Vorstellungen der Lega seinerseits ebenfalls in mehrere Einzelrepubliken aufgespalten werden.

So ganz wohl scheint vielen der Unabhängigkeitsfanatiker Oberitaliens bei alledem aber nicht zu sein. Im Nordosten, bei Venedig, Udine, Triest und Padua, suchen mehrere Listen vor allem Bossis Einfluß zu beschneiden. Sie fürchten bei einer Abspaltung vor allem einen neuen „Zentralismus“ aus dem Mailand des „Senatur“. Wie gut diese Gruppen bei der „Wahl“ abgeschnitten haben, wird sich erst nach der Auszählung erweisen – sofern diese korrekt erfolgt. Das aber bezweifeln viele, auch aus dem Norden. Werner Raith