Neue Offensive der Schweizer Banken

Morgen wird eine neue Liste von nachrichtenlosen Konten aus der NS-Zeit im Wert von 14 Millionen Mark veröffentlicht. Die Bankiervereinigung hofft, daß dann US-Staaten ihre Boykottmaßnahmen wieder aufheben  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Unter nach wie vor starkem Druck insbesondere aus den USA wollen die Schweizer Banken morgen eine zweite Liste mit rund 14.000 sogenannten nachrichtenlosen Konten von Opfern und Verfolgten des Naziregimes veröffentlichen. Bereits im Vorfeld bemühte sich die Bankiervereinigung, der Zusammenschluß der 406 eidgenössischen Geldinstitute, durch intensive Medienarbeit darum, für ein positives Echo auf die neue Veröffentlichung zu sorgen. Die zahlreichen Pannen und Peinlichkeiten bei der Publikation einer ersten Liste mit knapp 2.000 Konten im Juli hatten bei in- und ausländischen Medien zum Teil scharfe Kritik ausgelöst.

Die Liste mit 14.000 Konten, die ab morgen in den Filialen der drei Großbanken und der Kantonalbanken zur öffentlichen Einsicht ausliegen, besteht aus zwei Teilen: einer Aufstellung von über 10.000 Namen von Schweizern, Auslandsschweizern sowie von Personen, deren Nationalität und Wohnsitz noch ungeklärt sind, im Gesamtwert von rund 12 Millionen Schweizer Franken (ca: 14,4 Millionen Mark). Dazu kommen knapp 3.700 Sparguthaben ausländischer Kunden von jeweils mindestens 100 Schweizer Franken im Gesamtwert von rund sechs Millionen Franken. Besitzer dieser Konten beziehungsweise deren Nachkommen und Erben können sich bei den Banken melden, das Konto weiterlaufen lassen oder sich den Sparbetrag auszahlen lassen.

Nicht aufgeführt werden in dem neuen Verzeichnis rund 64.000 Personen mit einem „Kleinstguthaben“ von jeweils unter 100 Franken im Gesamtumfang von rund einer Million Franken. Die Bankiervereinigung hat nach Angaben ihres Präsidenten Georg Krayer „beschlossen, diesen Gesamtwert aus eigenen Mitteln einer wohltätigen internationalen Institution zu spenden“. Doch „selbstverständlich“, betont Krayer, bleibe der Kundenanspruch auf diese Kleinstguthaben bestehen.

Die Gesamtsumme bislang von den Banken aufgefundener „nachrichtenloser Vermögen“ steigt damit auf rund 80 Millionen Franken. Im Juli hatten die Banken in zahlreichen in- und ausländischen Tageszeitungen eine Liste mit knapp 2.000 ausländischen Konten mit einem Gesamtvermögen von knapp 62 Millionen Franken veröffentlicht, deren Besitzer die Banken trotz angeblich hartnäckiger Recherchen nicht identifizieren konnten. Doch die äußerst kostspielige, in erster Linie auf Imageverbesserung im Ausland angelegte Aktion geriet zum Flop. Denn auf der Liste befanden sich zahlreiche ohne sonderliche Mühe auffindbare Personen sowie eine Reihe ehemaliger Nazigrößen.

Nach dieser Public-Relations- Pleite bemühte sich die Bankiervereinigung auf einer „Medienunterrichtung“ in Zürich, den Blick der JournalistInnen für die „enormen Schwierigkeiten“ bei der Suche nach Anspruchsberechtigten auf nachrichtenlose Vermögen zu schärfen und so eine bessere Würdigung ihrer detektivischen Anstrengungen zur Erhellung der Vergangenheit zu bewirken. Auf die vielfach gestellte Frage, weshalb die Gesamtsumme nachrichtenloser Vermögen in der Schweiz mit jeder Ankündigung der Banken weiter steigt, erklärte der Pressechef der Bankiervereinigung, Bernhard Stettler: „Je mehr man sucht, desto mehr findet man.“

Damit bestätigte er indirekt die vor allem in den USA erhobene Kritik an der bis vor kurzem höchst mangelhaften Bereitschaft der Schweizer Banken, den Umfang nachrichtenloser Vermögen aufzuklären und deren Besitzer aufzuspüren. Laut Stettler nehme allerdings der „Grenznutzen“ jeder neuen Veröffentlichung ab, da „die zusätzlich gefundenen Beträge immer kleiner werden“. Auch wenn die neue Liste wieder nur die bislang gesicherten Erkenntnisse und damit lediglich provisorische Zahlen enthält, bleibt die Bankiervereinigung bei ihrer Feststellung, daß „alle Spekulationen über Milliardenvermögen von Holocaust-Opfern auf Schweizer Banken völlig unseriös“ sind.

Die Bankervereinigung hofft, daß die Veröffentlichung der neuen Liste die Regierungen von Kalifornien, Massachusetts, New York sowie anderer US-Staaten und -Städte dazu bewegt, ihre in den letzten Wochen verhängten Boykottmaßnahmen gegen Schweizer Banken wieder aufzuheben.

Die bisherigen Gesamtkosten der Schweizer Banken für ihre Suchaktionen übersteigen die bislang aufgefundenen 80 Millionen Franken. Dazu kommen Prozeßkosten in dem Verfahren vor einem New Yorker Gericht, in dem Holocaust-Überlebende die Schweizer Banken auf eine Entschädigungssumme von 20 Milliarden Dollar verklagt haben. Völlig ungeklärt ist bislang die Frage, wie viele Zinsen die Banken noch für die bislang aufgefundenen 80 Millionen Franken nachrichtenloser Vermögen nachzahlen müssen. Schätzungen belaufen sich auf 20 bis 120 Millionen Franken. „Wir haben keine Ahnung“, lautet hierzu bislang die Auskunft der Banken.