Ein Auto, smart wie McDonald's

Im lothringischen Hambach haben die Politiker Kohl, Chirac und Cotti gestern die modernste Autofabrik der Welt für das Mercedes-Miniauto Smart eröffnet  ■ Aus Hambach Dorothea Hahn

Er sieht so aus, als hätte er den Unfall bereits hinter sich. Als wäre er zwischen zwei starke Limousinen geraten und hätte dabei sowohl Schnauze als auch Heck verloren. Aber der „Smart“ ist so: Steilgerade hinten und praktisch ganz ohne Vorderbau. Knappe zwei Meter 50 kurz und dafür mit 150 Zentimetern sehr hoch.

„So, komm!“ sagte Bundeskanzler Helmut Kohl gestern Vormittag zu dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac und dem Schweizer Außenminister Flavio Cotti. Dann griffen die drei Herren zur Schere und zerschnitten gemeinsam das in Trikolore gefärbte Band, von dem jeder ein paar Zentimeter für sich behielt. Damit waren in dem lothringischen Ort Hambach die Vorbereitungen zu Ende. Das kleinste Auto der Welt, das nur Platz für zwei Personen bietet, dafür aber in jede normale Parklücke gleich zweimal paßt, im Idealfall nicht mehr als vier Liter Benzin (oder drei Liter Diesel) schluckt und trotzdem 130 Stundenkilometer bringt, kann vom Band gehen.

„Ein großer Wurf“, lobte Kohl den Kleinen. Aber sich zusammen mit Chirac hineinzwängen, wie es die deswegen zahlreich angereisten Fotografen erwartet hatten, wollte er doch nicht. Statt dessen sang er beim Festakt das hohe Loblied auf den „unternehmerischen Mut“, der zeige, daß „wir (in Europa) genauso viele graue Zellen haben wie unsere japanischen Freunde“ und stellte die deutsch-schweizerisch-französische Unternehmenszusammenarbeit beim „Smart“ als beispielhaft hin. Kohls auf den Euro gemünzter und sowohl an deutsche als auch an französische Skeptiker gerichteter kerniger Satz: „Wer vertagt, versagt vor der Geschichte.“

Der „Smart“ als Beispiel. Seinem „Vater“ Nicolas Hayek, dem Schweizer Uhrenmilliardär, der mit der 190 millionenfach hergestellten Wegwerfuhr Swatch sein Talent bewiesen hat, mußte das wie Honig heruntergehen. Seit den 70er Jahren hatte er einen Partner für ein umweltfreundliches winziges Auto gesucht. Im April 1994 wurde er schließlich fündig. Zusammen mit der Mercedes Benz AG, die weg von dem Dinosauriervorwurf wollte, den sie sich mit ihren schweren, breiten Luxuslimousinen eingehandelt hatte, gründete Hayek die „Micro Compact Car“ (MCC), die gestern, nach nur 18 Monaten Bauzeit, ihr Werk in Hambach eröffnete. An dem Kapital allerdings ist Hayek heute nur noch mit knapp 20 Prozent beteiligt. Die Baukosten auf den Kohlegruben unter dem Fabrikgelände und andere Investitionen waren unterschützt worden. Die unterwegs nötige Kapitalaufstockung verhalf Mercedes Benz von 40 zu gut 80 Prozent.

Bei „Smart“ lautet das Motto „maximale Reduzierung“. Nicht nur das Auto selbst ist klein. Auch seine Produktionskosten, seine Produktionszeit und selbst das unternehmerische Risiko sind es. Die MCC hat Lothringen unter 70 Mitbewerbern als Standort gewählt, weil dort die Löhne zwischen 20 und 30 Prozent unter denen im benachbarten Saarland liegen, weil der gewerkschaftliche Organisationsgrad niedrig und die Arbeitslosigkeit seit der Stahlkrise der 70er Jahre mit rund 20 Prozent gigantisch sind, weil Frankreich und die EU der Krisenregion saftige Subventionen zahlen, weil die Arbeiter dort hoch qualifiziert, weil Verkehrsanschlüsse existieren und weil Lothringen so nahe bei Deutschland und bei der Schweiz liegt.

Smart wie das Auto selbst, ist auch das unternehmerische Konstrukt. Die MCC baute ihre Fabrik nicht selbst, sondern least sie – für 12 Jahre – von einem Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank.

Neu – „innovativ“, wie gestern Chirac, Cotti und Kohl unisono lobten – ist auch die Vermarktung des kurzen Autos in einem geschlossenen eigenen Kreis. Es soll in 104 über ganz Europa verteilten gläsernen „Smart-Towers“ ausgestellt und gehandelt werden. Einige davon stellen bereits die stets zweifarbig lackierten Autos aus. Das soll dem „Smart“-Kauf das gewisse wiedererkennbare Etwas geben, das bislang unter anderem Mcdonald's auszeichnete.

Daß die Arbeiter von Hambach ihr Auto auch fahren werden, ist fraglich. Der „Smart“, der ab März 1998 verkauft werden soll, ist mit einem Preis von rund 20.000 DM nicht nur ziemlich teuer für die Kategorie „Micro-Komaktauto“, sondern er ist auch völlig ungeeignet für Familien mit Kindern. In dem Stauraum hinter den beiden Sitzen ist gerade mal Platz für eine Kiste Bier. Außerdem ist der „Smart“ nicht für lange Fahrten – und schon gar nicht auf kurvenreichen Strecken, wo ihm der Wind in die hohe Seite blasen kann – konzipiert. Er ist ein Stadtauto – laut MCC geeignet, die Verkehrsprobleme in dem täglichen großen Stau zu bewältigen.