NS-Handel in der Kaserne

■ Neonazi, der Bundeswehrvideos produzierte: Das sind keine Einzelfälle

Berlin (taz) – Bundeswehrsoldaten drehen nicht nur gewaltverherrlichende Videos in Kasernen, sie sollen auch schwunghaften Handel mit rechtsextremem Propagandamaterial betreiben. Einige Vorgesetzte hätten sich sogar daran beteiligt. Dies behauptet der ehemalige Soldat Mike R. Er war bis zum Frühjahr in der Kaserne Schneeberg stationiert. Reichskriegsflaggen, Hakenkreuzfahnen, ein SS-Liederbuch und anderes hätten sie in der Kaserne über eine „Bezugsperson“ bestellt. Gut zwei Wochen später sei die Ware außerhalb angeliefert worden. Über den Handel berichtete der 24jährige Obergefreite der Reserve in der Berliner Zeitung.

In Schneeberg hätten auch Mitglieder der Wiking-Jugend, der DVU und der NPD in der Kaserne ihre rechten Aufkleber und Schriften verteilt. Auch in zwei anderen ostdeutschen Kasernen, in Lehnin und Eggesin, sei mit „heißer Ware“ gehandelt worden. Die Vorsetzten hätten vieles „gar nicht mitgekriegt“ oder nicht wahrhaben wollen. Gegenüber der taz wies ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums die Vorwürfe „auf das schärfste zurück“. Möglicherweise habe R. selber das Propagandamaterial beschafft und vertrieben.

Mike R. wird vom Privatsender Sat.1 als Kronzeuge gegen die Bundeswehr präsentiert. Er hatte dem Sender abermals ein Video vermittelt, in dem Soldaten rechtsradikale und gewaltverherrlichende Szenen darstellen. R. selbst taucht in dem Video auch auf. Vor drei Monaten hatte der Sender ein ähnliches Band gezeigt, aufgenommen am Standort Hammelburg. Mike R. gesteht ein, sich jahrelang „in der rechten Ecke“ bewegt zu haben. Er wäre gerne Unteroffizier geworden, scheiterte aber an der geforderten Qualifikation. Bei der Bundeswehr vermutet man, Mike R. wolle mit seinen Anschuldigungen dafür Rache nehmen.

Beim Privatfernsehen hingegen hält man ihn für absolut seriös. Ein Sat.1-Redakteur beteuerte gegenüber der taz, für sein neues Video habe er kein Geld bekommen. Der „Aussteiger“ Mike R. führe jetzt ein „gutes, neues Leben auf demokratischem Boden“. Beim Start in die bürgerliche Zukunft habe man dem 24jährigen allerdings „auf anderem Wege geholfen“. roga