: Konzern oder Religionsgemeinschaft?
■ Bundesverwaltungsgericht verhandelt heute über diese Frage
Freiburg (taz) – Scientology steht juristisch unter Druck. Heute verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Berlin über die Zukunft der Sekte, nämlich darüber, ob der Staat den Teilvereinen von Scientology die Eintragung ins Vereinsregister entziehen kann.
Scientology besteht aus einer Vielzahl „eingetragener Vereine“. Das Regierungspräsidium Stuttgart entzog 1986 dem Scientology- Verein der Landeshauptstadt die Rechtsfähigkeit mit der Begründung, daß der Verein vor allem geschäftliche Zwecke verfolge. Indem er sich dabei der Formen eines „ideellen Vereins“ bediene, gefährde er aber mögliche Gläubiger, so die Landesbehörde. Erst in der Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim hatte eine hiergegen gerichtete Klage von Scientology Erfolg. Dies wiederum will das Land Baden-Württemberg nicht akzeptieren. Vor dem Bundesverwaltungsgericht versucht es nun per Revision den Entzug der Rechtsfähigkeit durchzusetzen.
Gelingt dieses Unterfangen, müßte der Psychokonzern künftig entweder als nichteingetragener Verein oder als Handelsgesellschaft agieren. Beides hätte erhebliche Nachteile für Scientology. So wäre die Nutzung wirtschaftsrechtlicher Formen bei der Werbung neuer Mitglieder wohl ziemlich hinderlich, während man als nichtrechtsfähiger Verein steuer-, haftungs- und erbrechtliche Nachteile in Kauf nehmen müßte.
Der VGH Mannheim zweifelte in seinem Urteil aus dem Jahr 1995 zwar nicht daran, daß Scientology überwiegend kommerzielle Interessen verfolge. So werde das Buch „Dianetik“ in der Werbung wie ein normaler Lebenshilfe-Ratgeber ohne „religiösen Bezug“ angepriesen. Die Klage von Scientology hatte aber in der Berufung Erfolg, weil das Regierungspräsidium die Frage offengelassen hatte, ob Scientology als Religionsgemeinschaft vom Grundgesetz besonders geschützt werde. Nach Ansicht der Richter kommt es hierauf jedoch an. Einer Religionsgemeinschaft dürfe wegen der Pflicht zu staatlicher Neutralität nicht schon deshalb die Rechtsfähigkeit entzogen werden, weil sie sich „überwiegend wirtschaftlich betätigt“. Möglich sind nach Ansicht des VGH solche Eingriffe, wenn die religiösen Lehren „nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele“ dienen. Christian Rath
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