Die Insel driftet ab

Großbritanniens Labour-Regierung suggeriert wirtschaftliche Kompetenz, handelt beim Euro aber politisch  ■ Von Dominic Johnson

Großbritanniens nächste Wahl wird eine Euro-Wahl. Dies ist klar, seitdem Labour-Finanzminister Gordon Brown am Montag nachmittag einen britischen Beitrittsantrag zur Europäischen Währungsunion in der laufenden Legislaturperiode ausgeschlossen hat. Labour, so die Essenz von Browns Unterhauserklärung, will erst die spätestens im Mai 2002 fälligen nächsten Wahlen gewinnen und danach unter gewissen Bedingungen dem Wahlvolk den Euro nahelegen.

Da die oppositionellen Konservativen sich für die nächsten Wahlen schon gegen den Euro festgelegt haben, sind die Fronten eigentlich klar. Die Regierung Blair will die Euro-Frage entpolitisieren: Entscheidend bei der Beitrittsentscheidung sei „das nationale ökonomische Interesse“, sagte Brown. Die politische Frage des Verlustes nationaler Souveränität sei „nicht entscheidend“.

Das ist aber auch alles, was klar ist. Ob Labour den Euro nun wirklich will oder nicht, bleibt offen. Brown hat einen britischen Beitritt zum Euro von der Erfüllung fünf wirtschaftlicher Bedingungen abhängig gemacht: „Ob es eine nachhaltige Konvergenz zwischen Großbritannien und den Ökonomien der gemeinsamen Währung geben kann; ob es ausreichende Flexibilität beim Umgang mit wirtschaftlichem Wandel gibt; den Einfluß auf Investitionen; die Auswirkung auf unseren Finanzsektor; ob es gut wäre für die Arbeitsmarktlage.“ Das wirft mehr Fragen auf als Antworten. Wie der konservative Schattenfinanzminister Peter Lilley in seiner Antwortrede richtigerweise sagte, sind „keine dieser Kriterien objektiv und meßbar“.

Lilleys Folgerung, daß Labour also doch noch einen schnellen britischen Euro-Beitritt herbeiführen könnte, ist jedoch unseriös. In der Expertenvorlage des Finanzministeriums, die Browns Rede zugrunde liegt, finden sich viele Grundsatzargumente gegen einen Euro-Beitritt, während die Gründe für einen Beitritt vor allem konjunktureller Natur sind. Die Experten fordern zur Herstellung von Konvergenz zwischen Großbritannien und dem Kontinent dauerhafte Strukturreformen auf beiden Seiten. So müßten erst Blairs Wohlfahrtsreformen greifen. Dann sei eine „Periode ökonomischer Stabilität“ in Großbritannien notwendig, bevor Konvergenz nachweisbar sei – und ohne erwiesene dauerhafte Konvergenz „können wir die Vorteile einer erfolgreichen Währungsunion nicht ernten“.

Trotz aller Absichtserklärungen, man werde die Briten auf den Euro vorbereiten, stellt Browns Erklärung also einen Schritt weg von Europa dar. Unter der letzten konservativen Regierung verweigerte Premierminister John Major immer wieder der euroskeptischen Rechten die Zusage, dem Euro nicht vor 2002 beizutreten. Heute leistet eine Labour-Regierung das, wofür die konservativen Euro- Skeptiker noch vor einem Jahr vergeblich kämpften.

In den Debatten in beiden Parlamentskammern nach Browns Erklärung äußerten sich die EU- Enthusiasten am meisten enttäuscht. Der Liberaldemokrat Malcolm Bruce meinte, die Regierung Blair habe Majors Politik des „wait and see“ (warten und gucken) mit einer des „wait and wait“ ersetzt. Entsprechend urteilten gestern auch die Hauptprotagonisten im Medienkrieg um den Euro: Die euroskeptische Times, die bei den letzten Wahlen zur Stimme für die EU-feindliche Referendumspartei aufrief, jubelte, Brown habe „Klartext gewählt“, während die eurobegeisterte Financial Times so gut wie alles in Browns Rede „vage“ fand. Die Times wies zudem darauf hin, daß es nach einer britischen Euro-Beitrittsbekundung um die 18 Monate dauern werde, bis die Prozedur von Gesetzesvorlage und Volksabstimmung erledigt sei. Damit wäre Großbritannien frühestens 2004 beim Euro dabei – wenn überhaupt.