Dokumentationsstelle auf Hitlers Obersalzberg

■ Bayerisches Finanzministerium legte Pläne für Hitlers Alpenfestung vor. Keine Mahnstätte

Nürnberg (taz) – Auf dem einst von Hitler und führenden Nazigrößen genutzten Obersalzberg wird aller Voraussicht nach ein Dokumentationszentrum entstehen. Das bayerische Finanzministerium legte jetzt Pläne vor, nach denen der Neubau bereits im Frühsommer 1998 mit einem direkten Zugang zum knapp vier Kilometer langen historischen Bunkersystem eingeweiht werden soll. Das insgesamt über 100 Hektar große Areal mit seinen Hotelanlagen, dem Golfplatz und einem Skigebiet will man verpachten und „für das Gesundheitswesen sowie Sport- und Jugendarbeit“ nutzen.

Mit Vorlage dieser Pläne ist die von einer örtlichen Bürgerinitiative geforderte Gedenkstätte endgültig vom Tisch. „Der Zug ist abgefahren“, zeigte sich Martin Rasp, SPD-Gemeinderat und Initiator der Bürgerinitiative, enttäuscht.

Schon in den 20er Jahren hatte Adolf Hitler den Bergrücken, der sich am Nordfuß des Hohen Göll (2.522 Meter) und des Kehlsteins (1.834 Meter) wölbt, als Domizil und Fluchtpunkt gewählt. Nach und nach baute er das Areal zur Alpenfestung aus und verklärte es zum „heiligen Berg“. Es entstanden ein Gutshof, Gästehäuser, SS- Kasernen und Bunker, dazu Landsitze von Hermann Göring, Martin Bormann und Albert Speer. Die insgesamt 106 Hektar wurden den Einheimischen teils abgekauft, teils abgepreßt oder schlichtweg enteignet.

In den letzten Kriegstagen zerstörten die Amerikaner das Gelände. Als ehemaliges NS-Vermögen fiel das Areal an den Freistaat Bayern, der es den US-Streitkräften überließ. Die bauten das frühere Hotel „Platterhof“ als Erholungsheim für die Familien der US- Soldaten wieder auf, legten einen Golfplatz und ein Skigebiet mit mehreren Liften an.

Der Öffentlichkeit zugänglich blieb Hitlers Teehaus, das als Ausflugsgaststätte betrieben wurde, und das reprivatisierte Hotel „Türken“. Rund 300.000 Besucher strömen Jahr für Jahr in das Berggebiet, angelockt nicht nur von der Bergidylle, sondern auch vom Mythos Adolf Hitlers und Eva Brauns. Kioskbesitzer machen Geschäfte mit Broschüren und Bildbänden, die Hitler als Kinder- und Tierfreund sowie als netten Feldherrn von nebenan verharmlosen.

Als dann im Januar 1995 Bundesfinanzminister Theo Waigel einen 30-Millionen-Mark-Zuschuß zur Sanierung des maroden US- Hotels ablehnte, beschloß die amerikanische Regierung, ihre Einrichtungen zu schließen und die Liegenschaften wieder dem Freistaat zu übertragen. Fortan ging die Angst in der Staatsregierung um, der Obersalzberg könnte zur braunen Wallfahrtsstätte werden, sollte das Gelände in andere Hände fallen.

Deshalb blockte der Freistaat auch alle Ansprüche, die die Nachkommen der damals enteigneten Eigentümer erhoben, ab und beschloß, das Gelände nicht zu verkaufen, sondern nur zu verpachten. Der Staatsregierung schwebte ein „ganz normales Urlaubsgebiet“ vor. Eine Gedenkstätte oder ein Mahnmal lehnte man im Einklang mit Berchtesgadens Bürgermeister Rudolf Schaupp und CSU- Landrat Martin Seidl strikt ab. „Das hier ist nicht Auschwitz oder Dachau“, betonte Seidl stets. Am liebsten hätte es der CSU-Mann im Trachtenlook gesehen, wenn die Dokumentationsstätte unter dem Hotel im Bunkereingang eingerichtet worden wäre – abgeschottet vor einer breiten Öffentlichkeit. Doch nun beschloß der Fachbeirat unter der Federführung von Horst Möller, dem Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München, die Dokumentationsstelle auf den Ruinen des NS-Gästehauses zu errichten. Während der Bau auf jede „übertriebene Symbolik“ verzichten soll, will man mit der Dokumentation „einem überwiegend emotionalen, wenn nicht sogar mythischen Geschichtsbild“ entgegenwirken. Neben einer Darstellung der NSDAP will man die Entwicklung des Obersalzbergs zum Fremdenverkehrsort, Hitlers Beziehung zu der Alpenregion sowie Besetzung und Nutzung durch die Amerikaner abhandeln.

Die Förderer einer Mahnstätte hat die CSU schlicht links liegen lassen. Für Rasp, der vor Ort als „Nestbeschmutzer“ beschimpft wurde, wäre eine Gedenkstätte eine „Selbstverständlichkeit“ gewesen. Die Pläne kommentierte er mit den Worten: „Das ist besser als gar nichts.“ Bernd Siegler